Dieses Advents­fenster „öffnet“ heute für Sie das Lorenz-Jaeger-Haus in der Frank­furter Str. 24. Das Fenster wurde von Besu­cher-Kindern der Offenen Tür mitgestaltet.

Rudolph, das Rentier mit der roten Nase

Hoch oben im Norden, wo die Nächte dunkler und länger und der Schnee viel weißer ist als in unseren Brei­ten­graden, sind die Rentiere behei­matet. In jedem Jahr geht der Weih­nachts­mann dort auf die Suche nach den stärksten und schnellsten Tieren, um seinen gewal­tigen Schlitten durch die Luft zu beför­dern. In dieser Gegend lebte eine Rentier­fa­milie mit ihren fünf Kindern. Das Jüngste hörte auf den Namen Rudolph und war ein beson­ders lebhaftes und neugie­riges Kind, das seine Nase in allerlei Dinge steckte. Tja, und diese Nase hatte es wirk­lich in sich. Immer, wenn das kleine Rentier-Herz vor Aufre­gung ein biss­chen schneller klopfte, leuch­tete sie so rot wie die glühende Sonne kurz vor dem Untergang.
Egal, ob er sich freute oder zornig war, Rudolphs Nase glühte in voller Pracht. Seine Eltern und Geschwister hatten ihren Spaß an der roten Nase, aber schon im Rentier­kin­der­garten wurde sie zum Gespött der vier­bei­nigen Racker. “Das ist der Rudolph mit der roten Nase”, riefen sie und tanzten um ihn herum, während sie mit ihren kleinen Hufen auf ihn zeigten. Und dann erst in der Rentier­schule! Die Rentier-Kinder hänselten ihn, wo sie nur konnten.
Mit allen Mitteln versuchte Rudolph seine Nase zu verbergen, indem er sie mit schwarzer Farbe über­malte. Spielte er mit den anderen verste­cken, freute er sich, dass er diesmal nicht entdeckt worden war. Und im glei­chen Moment begann seine Nase so zu glühen, dass die Farbe abblätterte.
Ein anderes Mal stülpte er sich eine schwarze Gummi­kappe darüber. Nicht nur, dass er durch den Mund atmen musste. Als er auch noch zu spre­chen begann, klang es als säße eine Wäsche­klammer auf seiner Nase. Seine Mitschüler hielten sich die Rentier-Bäuche vor Lachen, aber Rudolph lief nach Hause und weinte bitter­lich. “Nie wieder werde ich mit diesen Blöd­hufen spielen”, rief er unter Tränen, und die Worte seiner Eltern und Geschwister konnten ihn dabei nur wenig trösten.
Die Tage wurden kürzer und wie in jedem Jahr kündigte sich der Besuch des Weih­nachts­mannes an. In allen Rentier-Haus­halten wurden die jungen und kräf­tigen Burschen heraus­ge­putzt. Ihre Felle wurden so lange gestrie­gelt und gebürstet bis sie kupfer­farben schim­merten, die Geweihe mit Schnee geputzt, bis sie im fahlen Licht des nordi­schen Winters glänzten. Und dann war es endlich so weit. Auf einem riesigen Platz standen Dutzende von Rentieren, die unge­duldig und nervös mit den Hufen scharrten und schaurig-schöne Rufe ausstießen, um die Mitbe­werber zu beein­dru­cken. Unter ihnen war auch Rudolph, an Größe und Kraft den anderen Bewer­bern zumeist deut­lich über­legen. Pünkt­lich zur fest­ge­legten Zeit landete der Weih­nachts­mann aus dem nahe­ge­le­genen Weih­nachts­dorf, seiner Heimat, mit seinem Schlitten, der diesmal nur von Donner, dem getreuen Leit­tier gezogen wurde. Leichter Schnee hatte einge­setzt und der wallende rote Mantel war mit weißen Tupfern übersät. Santa Claus machte sich sofort an die Arbeit, indem er jedes Tier in Augen­schein nahm. Immer wieder brum­melte er einige Worte in seinen langen weißen Bart.
Rudolph kam es wie eine Ewig­keit vor. Als die Reihe endlich bei ihm ange­langt war, glühte seine Nase vor Aufre­gung fast so hell wie die Sonne. Santa Claus trat auf ihn zu, lächelte freund­lich und — schüt­telte den Kopf. “Du bist groß und kräftig. Und ein hübscher Bursche dazu “, sprach er, “aber leider kann ich dich nicht gebrau­chen. Die Kinder würden erschre­cken, wenn sie dich sähen.” Rudolphs Trauer kannte keine Grenzen. So schnell er konnte, lief er hinaus in den Wald und stampfte brül­lend und weinend durch den tiefen Schnee.
Die Geräu­sche und das weithin sicht­bare rote Licht lockten eine Elfe an. Vorsichtig näherte sie sich, legte ihre Hand auf seine Schulter und fragte: “Was ist mit dir?”
“Schau nur, wie meine Nase leuchtet. Keiner braucht ein Rentier mit einer

roten Nase!” antwor­tete Rudolph.
“Das kenne ich”, sprach die Elfe, “ich würde gerne im Weih­nachts­dorf mit den anderen Elfen arbeiten. Aber immer, wenn ich aufge­regt bin, beginnen meine Ohren zu wackeln. Und wackelnde Ohren mag Santa Claus nicht.”
Rudolph blickte auf, wischte sich mit den Hufen die Tränen aus den Augen und sah eine bild­hüb­sche Elfe, deren Ohren im Rhythmus eines Vogel­schlags hin und her wackelten.
“Mein Name ist Herbie”, sagte sie schüch­tern. Und während sie sich so in die Augen sahen, der eine mit einer leuch­tend roten Nase, die andere mit rhyth­misch wackelnden Ohren, prus­teten sie urplötz­lich los und lachten bis ihnen die Bäuche weh taten.
An diesem Tag schlossen sie Freund­schaft schwatzten bis in die Nacht und kehrten erst am frühen Morgen heim.
Mit Riesen­schritten ging die Zeit auf Weih­nachten zu. Herbie und Rudolph trafen sich in dieser Zeit viele Male im Wald. Alle waren mit den Vorbe­rei­tungen für das Weih­nachts­fest so beschäf­tigt, dass sie nicht bemerkten, wie sich das Wetter von Tag zu Tag verschlechterte.
Am Vorabend des Weih­nachts­tages übergab die Wetterfee Santa Claus den Wetter­be­richt. Mit sorgen­voller Miene blickte er zum Himmel und seufzte resi­gniert: “Wenn ich morgen anspanne, kann ich vom Kutsch­bock aus noch nicht einmal die Rentiere sehen. Wie soll ich da den Weg zu den Kindern finden?”
In dieser Nacht fand Santa Claus keinen Schlaf. Immer wieder grübelte er über einen Ausweg nach. Schließ­lich zog er Mantel, Stiefel und Mütze an, spannte Donner vor seinen Schlitten und machte sich auf den Weg zur Erde. “Viel­leicht finde ich dort eine Lösung”, dachte er. Während seines Fluges begann es in dichten Flocken zu schneien. So dicht, dass Santa Claus kaum etwas sehen konnte.
Ledig­lich ein rotes Licht unter ihm leuch­tete so hell, dass ihm der Schnee wie eine riesige Menge Erdbeereis vorkam. Santa Claus liebte Erdbeereis. “Hallo”, rief er, “was hast du für eine hübsche und wunder­volle Nase! Du bist genau der, den ich brauche. Was hältst du davon, wenn du am Weih­nachtstag vor meinem Schlitten herläufst und mir so den Weg zu den Kindern zeigst?”
Als Rudolph die Worte des Weih­nachts­mannes hörte, fiel ihm vor Schreck der Tannen­baum zu Boden und seine Nase glühte so heftig wie noch nie in seinem Leben. Vor lauter Freude fehlten ihm die Worte. Erst langsam fand er seine Fassung wieder.
“Natür­lich furchtbar gerne. Ich freu’ mich riesig.”
Doch plötz­lich wurde er sehr traurig. “Aber wie finde ich den Weg zurück zum Weih­nachts­dorf, wenn es so dicht schneit?”
Im glei­chen Moment, in dem er die Worte aussprach, kam ihm eine Idee.
“Bin gleich wieder da”, rief er, während er schon in schnellem Galopp auf dem Weg in den Wald war und einen verdutzten Santa Claus zurück­ließ. Wenige Minuten später kehrten ein Rentier mit einer glühenden Nase und eine Elfe mit wackelnden Ohren aus dem Wald zurück. “Sie wird uns führen, Santa Claus”, sagte Rudolph voller Stolz und zeigte auf Herbie. “Mit ihren Ohren hält sie uns den Schnee vom Leibe. Und sie kennt den Weg.”
“Das ist eine pracht­volle Idee”, dröhnte Santa Claus. “Aber jetzt muss ich zurück. Auf morgen dann.”
Und so geschah es, dass Santa Claus am Weih­nachtstag von einem Rentier mit einer roten Nase und einer Elfe mit wackelnden Ohren begleitet wurde.
Rudolph wurde für seine treuen Dienste am nächsten Tag von allen Rentieren begeis­tert gefeiert. Den ganzen Tag tanzten sie auf dem großen Markt­platz und sangen dazu: “Rudolph mit der roten Nase, du wirst in die Geschichte eingehen.”
Und es muss jemanden gegeben haben, der Santa Claus und seine beiden Helfer beob­achtet hat. Sonst gäbe es sie heute nicht, die Geschichte von Rudolph mit der roten Nase.

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