Fest­pre­digt zum Agatha-Fest 2020 (Manu­skript)

11. Feb 2020

Auf viel­fache Nach­frage publi­zieren wir an dieser Stelle die Fest­pre­digt von Gene­ral­oberin Sr. Magda­lena Krol zu den dies­jäh­rigen Feier­lich­keiten an St. Agatha:

 

Liebe Schwes­tern und Brüder,

ich möchte beginnen mit einem Zitat aus dem 12. Kapitel des Hebräerbriefes:

Darum wollen auch wir, die wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, alle Last und die Sünde abwerfen, die uns so leicht umstrickt. Lasst uns mit Ausdauer in dem Wett­kampf laufen, der vor uns liegt, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Voll­ender des Glau­bens. (Heb 12,1–2a)

Auflis­tung der Glau­bens­zeugen von Abraham bis Jesus Christus

Das heutige Fest der hl. Agatha nimmt uns mitten hinein in diese Zeugen unseres Glau­bens. Unsere „Wolke von Zeugen“ ist die große Zahl der Frauen, Männer und Kinder, die ohne Unter­bre­chung Jahr für Jahr das Agatha-Fest gefeiert haben.

Heute feiern wir es nicht nur wie seit 355 Jahren an einem Sonntag, sondern gleich­zeitig am Gedenktag der sel. Mutter Maria Theresia Bonzel. Alle 5 oder 6 Jahre fallen diese beiden Feiern zusammen. Es bietet sich dadurch an, an beide Frauen gemeinsam zu denken. Ihre Geburts­jahre liegen weit auseinander.

Die hl. Agatha wurde vor etwa 1795 Jahren geboren, Mutter Maria Theresia Bonzel vor fast 150 Jahren. Die eine in Catania, die andere hier in Olpe. Was haben diese beiden Frauen gemeinsam? Sie sind Töchter wohl­ha­bender Eltern. Sie weigerten sich, sich einfach verhei­raten zu lassen und wollten als gott­ge­weihte Jung­frauen leben.

Für Agatha waren die Konse­quenzen grausam und unbe­greif­lich. Aber sie hat sich nicht von ihrem Entschluss abbringen lassen und unglaub­li­cher Weise zunächst die schreck­li­chen Foltern über­lebt. Mutter Maria Theresia hat die Weige­rung ihrer Mutter zum Eintritt in eine Ordens­ge­mein­schaft ausge­halten und sich eben­falls nicht beein­flussen lassen. Viel­leicht war sie einfach nur geduldig und hat gewartet, dass Gott irgendwie Einfluss nehmen würde. Das geschah dann durch den Pfarrer, der die Mutter umstimmen konnte.

Als Gene­ral­oberin stehe ich ja in der unmit­tel­baren recht­li­chen Nach­folge von Mutter Maria Theresia und zusammen mit unseren hier anwe­senden Schwes­tern in der langen Folge der ersten Olper Franziskanerinnen.

Das Olper Agatha-Fest hat einen guten Bezug zu Mutter Maria Theresia. Geboren und aufge­wachsen in Olpe, ihr Eltern­haus steht direkt neben der Kirche, hat sie mit ziem­li­cher Sicher­heit fast alle Agatha-Feste während ihres Lebens mitge­feiert. Wir könnten uns gut vorstellen, dass sie, ihre Schwes­tern und ihre Verwandten hier irgendwo in den Bänken gesessen haben. Nicht wirk­lich. Denn damals gab es noch die alte St. Martinus-Kirche. Ich finde diese Fantasie trotzdem gut, denn sie zeigt uns die Verbin­dung mit unseren Vorfahren, die wie wir an dieser alten Tradi­tion festhielten.

Wie das Beispiel ihres Onkels Arnold Mutter Maria Theresia auf ihrem eigenen Lebensweg inspi­riert und unter­stützt hat, so wird auch die Tradi­tion des Agatha-Gelübdes für sie eine Bestä­ti­gung gewesen sein:

Fasten – ein Leben in Armut und Anspruchslosigkeit
Almosen geben — konkret Sorge für Waisen­kinder, die Armen und Bedürf­tigen nicht aus dem Blick verlieren
Anbe­tungs­stunden und Sakra­ments­pro­zes­sion –Eucha­ris­ti­sche Anbe­tung rund um die Uhr

Matter Maria Theresia faste ihre Ordens­grün­dung in dem Satz zusammen: “Nach dem Vorbild unseres heiligen Vaters Fran­ziskus (von Assisi) bemühen sich die Schwes­tern, das beschau­liche Leben mit dem tätigen zu vereinen in der Ewigen Anbe­tung und in Werken der Barm­her­zig­keit.“ Oder, wie wir im Jubi­lä­ums­jahr kurz und prägnant sagten: „Anbeten und Anpacken“

Deshalb möchte ich heute mit Ihnen einige Gedanken von Mutter Maria Theresia teilen.

Es gibt so etwas wie ein geist­li­ches Testa­ment, einen spiri­tu­eller Nach­lass, der nicht nur für uns Schwes­tern beden­kens­wert ist. Es ist kein Schrift­stück im eigent­li­chen Sinn, sondern von der Chro­nistin Sr. Andrea Bussien aufge­zeich­nete Worte. Zwei Jahre vor ihrem Sterben war Mutter Maria Theresia so krank, dass sowohl sie als auch ihre Schwes­tern mit ihrem unmit­tel­baren Sterben rechneten.

Ich zitiere:

„Gegen Mitter­nacht verlangte die Kranke, die Schwes­tern noch einmal zu sehen. Bald waren, soweit das Kran­ken­zimmer sie fasste, die Schwes­tern um die ster­bende Mutter versam­melt. So keuchend der Atem ging, mit aller Kraft­an­stren­gung sprach die Kranke mit lauter Stimme zu den Schwes­tern, wenn auch in öfteren Pausen:

Liebe Schwes­tern, nicht lange dauert‘s mehr, dann muss ich euch verlassen. — Seid treu, liebe Schwes­tern, haltet die Regel, und übt den Gehorsam; denn der Unge­horsam führt zum Verderben. — Eines, liebe Schwes­tern, lege ich Euch beson­ders ans Herz: Seid einig und übet die schwes­ter­liche Liebe. — Wenn ihr die schwes­ter­liche Liebe übt, wird alles gut gehen. — Von ganzem Herzen habe ich alle Schwes­tern geliebt. — Vergesst auch meiner nicht, wenn ich in der Ewig­keit bin. — Das Sterben ist nicht leicht, das seht Ihr an mir —  lebt gut, damit Ihr gut sterben könnt. — Bleibt alle treu!

Schwester Paula bat dann unter Tränen im Namen aller Schwes­tern die Würdige Mutter um Verzei­hung, worauf diese antwortete:

Ich habe Euch alles verziehen, — ich habe nichts zu verzeihen -, es waren nur kleine Fehler und Unvoll­kom­men­heiten, — wir wollen uns gegen­seitig alles verzeihen — vergesst meiner nicht, wenn ich in der Ewig­keit bin.

Nach Ertei­lung des Segens fügte sie noch hinzu: 

Liebe Schwes­tern, ich habe Euch alle gern gehabt, alle ohne Ausnahme, und diese Liebe wird fortbestehen!

Was war für sie in der vermeint­lich letzten Lebens­stunde wichtig? Was glaubte sie, der Ordens­ge­mein­schaft, jeder einzelnen Schwester mit auf den weiteren Weg geben zu müssen?

Mutter Maria Theresia spricht nicht an erster Stelle von ihrem Sterben, sondern vom Verlassen der Schwestern.

Vergesst auch meiner nicht, wenn ich in der Ewig­keit bin!

Gebet für sie, in der hl. Messe , während der Anbetung

Sie erin­nert auch daran, was sie selbst der Ordens­ge­mein­schaft an Werten und Lebens­prin­zi­pien einge­stiftet hat. Die Schwes­tern sollen auch das nicht vergessen. 

Liebe Schwes­tern, ich habe euch alle gern gehabt, alle ohne Ausnahme, — und diese Liebe wird fort­be­stehen! Ich habe euch alles verziehen, — ich habe nichts zu verzeihen: Es waren nur kleine Fehler und Unvoll­kom­men­heiten, wir wollen uns gegen­seitig alles verzeihen.

Es gibt noch einige markante Worte in diesen Sätzen:

Treue (sie wird zweimal genannt!), Einhal­tung der Regel (viel­leicht auch als Inter­pre­ta­tion der Treue zu verstehen), Gehorsam und Unge­horsam, Einig­keit, schwes­ter­liche Liebe (“Wenn ihr, die schwes­ter­liche Liebe übt, wird alles gut gehen.“

Bleibt noch als Letztes der Tod, dessen unmit­tel­bare Gegen­wart Mutter Maria Theresia veran­lasste, ihre letzten Gedanken — ihr „Testa­ment“ — zu äußern.

Das Sterben ist nicht leicht, das seht ihr an mir! Lebt gut, damit ihr gut sterben könnt!

Angst und Schre­cken des Todes gehen auch an den Heiligen nicht spurlos vorüber.

Diese Worte galten uns Schwes­tern. Was können sie jeder und jedem von uns heute hier an diesem Festtag und in dieser Feier sagen?

In jedem Leben gibt es Treue, Regeln und Verein­ba­rungen, die einge­halten werden sollten, damit Zusam­men­leben gelingt. Es gibt auch in jedem Leben eine Art von Gehorsam. Dieser Lebens­ge­horsam ist aufmerksam auf die Heraus­for­de­rungen des Lebens, der eigenen Person und für uns Christen auf das Wort Gottes. All das hat nichts mit einem ober­fläch­li­chen Zusam­men­hang von Befehl und Gehorsam zu tun.

Was tun wir eigent­lich, wenn wir Selige oder Heilige beson­ders verehren? Wenn wir wie heute Gelübde und Vereh­rungs­weisen in jedem Jahr neu beleben? Der hl. Paulus spricht uns alle, die wir an Christus glauben, als Heilige an, als Menschen, die sich ihrer Verbun­den­heit mit Christus durch die Taufe voll bewusst sind.

Zusammen mit den Heiligen sind wir die Gemein­schaft der Glau­benden, die Kirche Christi. Wir sind das nicht nur mit heilig oder selig gespro­chenen Frauen und Männern. Wir sind mit allen im Glauben Gestor­benen weiterhin in Gemein­schaft. Wenn wir Heilige verehren geben wir auch ein Zeugnis für das ewige Leben, in dem wir alle unter­wegs sind. Echte Heili­gen­ver­eh­rung ist weder Perso­nen­kult noch bloßes Schauen auf reli­giöse Vorbilder.

Was macht Heilig­keit aus? Es sind nicht die spek­ta­ku­lären Ereig­nisse, es ist die ersicht­liche Treue im Alltag. Papst Fran­ziskus hat das in seinem Schreiben „Gaudete et exul­tate“- „Freut euch und jubelt“ tref­fend und ermu­ti­gend zum Ausdruck gebracht. Ich zitiere nur ein paar   Gedanken: „Jeden Tag den Weg des Evan­ge­liums annehmen, auch wenn er Schwie­rig­keiten mit sich bringt, das ist Heilig­keit. Heilig­keit als Haltung im Alltag braucht Durch­hal­te­ver­mögen, Geduld und Sanftmut, Freude und Sinn für Humor, Wagemut und Eifer, eine Gemein­schaft und bestän­diges Gebet.“

Es muss von uns ja nicht gleich alles auf einmal gelebt oder reali­siert werden. Jede und jeder von uns ist zu einer ganz indi­vi­du­ellen Heilig­keit erschaffen. Niemand von uns soll so sein wie die hl. Agatha. Niemand von uns soll so sein wie Mutter Maria Theresia, auch nicht wir, ihre Schwes­tern. Und für die Männer:  niemand muss der hl. Martin werden, oder der hl. Sebas­tian. Wir werden ermu­tigt, wir selbst zu werden, ein Teil der „Wolke von Zeugen“, wie es im Hebrä­er­brief heißt.

Das ist auch ein Grund, warum das Grab von Mutter Maria Theresia nicht in der Stirn­seite der Anbe­tungs­ka­pelle zu finden ist, sondern, wie manche Olper bemän­geln, „in der Ecke“. Nein, sie ist nicht in der Ecke, sondern beim Gebet neben uns. Unsere gemein­same Gebets­rich­tung ist der Taber­nakel, ist Christus. Für Mutter Maria Theresia war die Eucha­ris­ti­sche Anbe­tung der wich­tigste Grund für das Ordens­leben, aus der heraus sie und wir Schwes­tern die Kraft und die Wirk­sam­keit für die Aufgaben schöpfen.

Die hl. Agatha wird welt­weit als Heilige verehrt, Mutter Maria Theresia im Bistum Pader­born als Selige. Das ist kein Rang­un­ter­schied. Das ist nur eine Rege­lung der öffent­li­chen und litur­gi­schen Verehrung.

Ja, und heute feiern wir wieder öffent­lich die hl. Agatha, mit all den schönen alten Tradi­tionen. Und im Hinter­grund ist da noch die selige Mutter Maria Theresia, deren öffent­liche Vereh­rung ja erst seit etwas mehr als 6 Jahre möglich ist und die sich Jahr für Jahr langsam aufbaut. Alle 5 oder auch 6 Jahre tritt sie hinter der hl. Agatha zurück. Ich denke, dass weder sie noch wir damit ein Problem haben.

Die Gläu­bigen in Catania konnte voller Vertrauen mit dem Schleier der Heiligen die Lava­flut des Ätna bremsen. Wir hier in Olpe haben Mutter Maria Theresia mitten unter uns. Viel­leicht hilft uns diese Tatsache auf die eine oder andere Weise, im Gebet Schaden von uns oder unserer Stadt abzu­wenden und unser Vertrauen in die liebende Führung Gottes zu stärken.
Die beiden haben mehr gemeinsam, als wir vermuten. Wenn Mutter Maria Theresia ihr Leben in dem Satz zusam­men­fasste: „ER(Gott) führt.- Ich gehe.“ Dann könnte die hl. Agatha das sicher bestä­tigen und sagen: „Si. Lui conduce. Io vado.“

Und wir können heute wieder (in der Sakra­ments­pro­zes­sion) diesen Satz lebendig werden lassen.  Wir sind in den Dunkel­heiten und Wirren des Lebens nicht allein unter­wegs. Wir können uns die Unter­stüt­zung der Heiligen erbitten und darauf vertrauen, dass Christus immer mitten unter uns ist. Er führt. Wir gehen. Amen.

Sr. Magda­lena Krol OSF

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