„Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zu Vorschein, merkt ihr es nicht?“ — Jesaja 43,19a
Ich bin bei dem Vers an dem Satzteil… „schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht…“ hängengeblieben. Er verweist für mich darauf wahrzunehmen, offen zu sein, seinen Blick zu weiten, andere Sehgewohnheiten einzunehmen, um etwas zu bemerken oder zu sehen, was zum Vorschein kommt oder was sich tut.
Dazu fiel mir das Foto von den aufknospenden, grünen Blättern an einem Zweig im Winter bei Schnee und Eis ein, das ich im Januar fotografiert hatte. Eigentlich lag mein Fokus bei dem Spaziergang auf Winterbildern, doch plötzlich blieb mein Blick am Wegesrand an dem Zweig hängen, an dem unerwarteten, frühlingsgrünen Hoffnungsschimmer neuer Lebenskraft, mitten im Winter. Neues Leben brach aus der braunen Knospenschale hervor. Erneuerung als Zyklus. Vom Werden und Vergehen, von Warten zum Erwarten. Dieser Zyklus spiegelt sich auch im Lauf der Jahreszeiten wider. Ausgehend von der aufbrechenden Knospe in meinem Bild habe ich zur weiteren Ausgestaltung des Bildes die Farben der Jahreszeiten gewählt. Ausgehend von den zarten Grüntönen des Frühlings, die für Hoffnung, Leben, aufblühen und Neustart stehen, gehen sie über in die Farben des Sommers: Sonnen- und Weizengelb, bunte Blütenpracht und das sommerliche Himmelblau. Sie stehen für Wachstum, Entwicklung, Reifen, Schöpfungskraft, Lebenslust. Noch intensiver werden die Farben im Herbst: Zeit der Ernte, der Fülle, des Loslassens, des Abschieds, um dann mit den braun-grauen, weiß-blauen Farben des Winters den Kreis wieder zu schließen. Sterben, um zu leben, Ruhe, aus der Neues hervorbricht. Bevor etwas Neues entsteht, hat ein Prozess stattgefunden. So zeigt es auch die Geschichte der Menschheit. Neues entsteht häufig nach Zerstörung, nachdem etwas nicht mehr funktioniert, aus Sackgassen, Irrtümern etc., die Veränderungen in Gang setzen im Denken, im Handeln.
Zu meinem gewählten Bildmotiv der Knospe fiel mir das Lied „Alle Knospen springen auf…“ ein. Thematisch behandelt das Lied auch das Neue, das aufbricht: Stumme grüßen, Nächte werden hell, Mauern fließen, Lahme gehen, Augen sehen, Menschen teilen, Wunden heilen…“ Etwas, was man nicht für möglich hält geschieht. Im Kleinen und im Großen.
Auch durch die Bibel zieht sich der Vers wie ein roter Faden vom AT bis zur Offenbarung. Immer wieder bricht Neues auf, zeigt sich Gottes Wirken.
Neues bricht auf: Gott wird Mensch.
Neues bricht auf in den Zeichen und Wundern die Jesus tut.
Neues bricht auf am Ostermorgen in der Begegnung der Frauen mit dem Auferstandenen.
Neues bricht auf an Pfingsten, als der Heilige Geist auf die Jünger herabkommt.
Neues bricht auf in der Apostelgeschichte.
Neues wird aufbrechen, wie es die Offenbarung verkündet.
Für mich selbst steckt in diesem Vers die kraftvolle, tröstende Zusage des liebenden Gottes an meiner Seite. Gottes Wirken geschieht ohne mein zutun. Ich darf es aus Gottes Hand annehmen. Er wirkt – ich darf empfangen. Das Einzige, was ich lernen muss, ist das Sehen, das Bemerken – ich erhoffe vielleicht das Große und sehe das Kleine nicht. Veränderung beginnt langsam. In der Knospe zeigt sich erst die zartgrüne Spitze; der Stein, der ins Wasser fällt, zieht erst kleine Kreise. Groß ist dahinter jedoch die Kraft, die Neues schafft.
Herr, öffne meine Augen und mein Herz, um schon die kleinen Zeichen deines Wirkens wahrzunehmen.
Kirsten Görts
(Gemeindemitglied Dahl-Friedrichsthal)