Gedanken zum Tag – 13. Juni 2021, 11. Sonntag im Jahreskreis

KRAFT – ich möchte heute darauf eingehen, wie wichtig es ist, an die eigene Kraft zu glauben und einander immer wieder Kraft zu schenken.

Freitag, der 12. Juni 2020 – ein Tag, den ich wohl nie vergessen werde. Wie so oft nutzte ich den freien Tag vor genau einem Jahr, um mich meinem Neben­er­werb, der Forst­ar­beit, zu widmen. Aufgrund des Borken­kä­fer­be­falls drängte die Zeit und es lag viel Arbeit vor meinem Freund und mir. Bei schwül­warmen Tempe­ra­turen mussten wir immer wieder neue Kraft­re­serven mobi­li­sieren, der geplante Feier­abend verzö­gerte sich mehrfach.

Den letzten zwei Bäumen widmete ich mich schließ­lich allein. Ich entas­tete die obere Seite des Stamms, als sich dieser plötz­lich in Bewe­gung setzte und meine beiden Unter­schenkel einklemmte. Versuche, den Stamm wegzu­rollen oder die Beine darunter wegzu­ziehen, schei­terten. Die nötige Kraft hierzu konnte ich nicht aufbringen. Was sollte ich jetzt tun? Das Handy befand sich in der Hosen­ta­sche, auf der ich bäuch­lings bergab lag. Ein Versuch, den Stamm hinter­rücks mit der Motor­säge zu zerschneiden, schei­terte. Der Druck auf meine Beine wurde immer größer, der Kreis­lauf wurde schwä­cher und Hilf­lo­sig­keit machte sich breit. Meine Hilfe­rufe hörte niemand und ich konnte meine Füße mitt­ler­weile nicht mehr spüren. Mit eigener, mentaler Kraft habe ich es geschafft, nicht die Fassung zu verlieren. Mit der bloßen Hand begann ich den Wald­boden unter meiner Hosen­ta­sche wegzu­graben, sodass ich irgend­wann tatsäch­lich an mein Telefon gelangen konnte.

Unsi­cher darüber, wie verletzt ich war, wählte ich die 112. Am anderen Ende der Leitung hörte ich eine vertraute Stimme, die ich sofort erkannte. Kurze Notruf­ab­frage, das kenne ich aus meinem Beruf. Mein Funk­mel­de­emp­fänger der frei­wil­ligen Feuer­wehr gab Alarm. Die Gewiss­heit, dass Hilfe unter­wegs war, gab mir wieder Kraft. Meine Kame­raden und der Rettungs­dienst waren schnell vor Ort und konnten mich aus der Lage befreien. In dieser Situa­tion fand ich viel Kraft durch die Betreuung meines Feuer­wehr­ka­me­raden und Kind­heits­freundes, der erst von meiner Seite wich, als meine Frau den Rettungs­wagen betrat.
Im Kran­ken­haus dann die Gewiss­heit, dass der Unfall verhält­nis­mäßig gut ausge­gangen war. Noch am selben Abend konnte ich das Kran­ken­haus wieder verlassen. Erst jetzt fiel die Anspan­nung von mir ab und große Dank­bar­keit machte sich breit.

Ich bin mir sicher, dass mir auch Gott Kraft und Schutz geschenkt hat – viel­leicht auch der heilige Vinzenz, der Schutz­pa­tron der Wald­ar­beiter. Als meine Frau und ich nach dem Unfall im Wander­ur­laub waren, fiel uns beim Aufstieg zum Untern­berg im Chiemgau ein Bild­stock des heiligen Vinzenz am Weges­rand auf – ein Zeichen?

Wir alle sollten uns, auch in alltäg­li­chen Situa­tionen, einmal mehr daran erin­nern, dass andere unsere Hilfe benö­tigen und dass es oft gar nicht viel braucht, um einander Kraft zu schenken.

Matthias Spring­mann
(Gemein­de­mit­glied aus Oberveischede)

 

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