Liebe Leserinnen und Leser,
der Redakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, Henning Sußebach, hat vor ein paar Jahren ein Experiment gewagt. Er nahm sich vor, Deutschland zu Fuß zu durchqueren – von Nord nach Süd, mit der selbstgesetzten Vorgabe, Asphalt und Beton möglichst selten zu berühren. Sein Weg führte ihn vom Darßer Leuchtturm an der Ostsee bis hoch auf die Zugspitze im südlichen Bayern. Nach 1200 Kilometer Fußweg durch das „Hinterland“ Deutschlands und vielen interessanten Begegnungen mit Menschen, die selten im Fokus stehen, stellt er rückblickend fest:
„Ich war nicht ab vom Wege gewesen. Sondern mittendrin. In einer Zeit, in der wir alles zu kontrollieren, zu versichern, zu prognostizieren versuchen, in der wir für alles Verträge abschließen, Gutachten in Auftrag geben und Hotelportale nach Bewertungen durchsuchen. In dieser Zeit hatte ich die Kontrolle aus der Hand gegeben. An jedem Tag, in jedem Wald, bei jeder Begegnung hätte mein Weg eine andere Richtung nehmen können“ (S. 178).
Die heutige Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 15, 1–6) berichtet indirekt davon, dass Paulus und Barnabas sich für eine gewisse Zeit abseits der ersten christlichen Gemeinden aufgehalten haben, um Menschen, die bislang noch nichts von Jesus gehört hatten, die frohmachende Botschaft näher zu bringen. Alles unter Kontrolle hatten Paulus und Barnabas dabei nicht, aber ihre Strategie war durchaus fruchtbar. Zugleich sorgte sie für großen Ärger, wie wir aus der Apostelgeschichte erfahren. Bemerkenswert bleibt die Tatsache, dass die Apostel und weitere Christen in einem gemeinsamen Gespräch versuchen, mehr über die Missionsstrategie von Paulus und Barnabas in Erfahrung zu bringen und so den Streit zu lösen (Apg 15, 6).
Buch: Sußebach, Henning: Deutschland ab vom Wege. Eine Reise durch das Hinterland. Hamburg, 2017.
Pace e bene
Michael Kammradt