Gedanken zum Tag – 18. November 2020, Mitt­woch der 33. Woche im Jahreskreis

18. Nov 2020

… ich setz, ich setz, ich setz — setz — setz mein Herz bei ebay rein, dann bin ich nicht mehr so allein … 
(Helge Schneider)

Das ist eines der neueren Lieder von Helge Schneider, der soge­nannten „singenden Herren­torte“ aus dem Ruhr­ge­biet. „Ein Jazz­mu­siker, der vorgibt, kein musi­ka­li­sches Talent zu besitzen, der aber, sowohl in der Musik als auch in der Vorgabe kein Talent zu besitzen, virtuos ist“ (nach Max Gold).

Der Lied­text lässt inhalt­lich viele Inter­pre­ta­tionen zu, verbunden mit leichter und unbe­schwert jazziger Musik. Ich mag diese Art von Wider­sprü­chen; handelt es sich doch meist um austa­rierte, mitunter antago­nis­ti­sche Gleich­ge­wichte, die im Allge­meinen funk­tio­nieren. Das Leben, im Kleinen wie z.B. die Kommu­ni­ka­tion zwischen einzelnen Zellen eines Gewebes, wie auch im Großen z.B. in unseren Ehen, Freund­schaften und inner­halb der Gesell­schaft selbst, ist voll davon.

In dem ange­spro­chenen Lied geht es, nach meiner Inter­pre­ta­tion, um Menschen, die ihr Leben oder zumin­dest einige wich­tige Teile davon, im Internet verbringen. Also ihr Leben teil­weise digital leben – meiner Meinung nach auch so ein Wider­spruch. Ich kann verstehen, dass jemand, der „sein Herz bei ebay rein­stellt“, sich nicht mehr „so allein“ fühlt. Egal ob irgend­je­mand anderes das bei ebay einge­stellte Herz möchte oder nicht. In Helge Schnei­ders Lied geht es wie folgt weiter:

„Ich sitze auf dem Küchen­stuhl und warte,
                                                                                  … das Telefon schellt …
                                                                                                                                … nicht!
Warte, ich warte, ich warte, … das Telefon schellt, …

                                                                                  … ich gehe nicht dran , … ich mach mich interessant!“

Auch wieder voller Wider­sprüche. Erst wird auf eine Antwort gewartet und man ist enttäuscht, wenn keine Reak­tion erfolgt. Und dann möchte man sich „inter­es­sant“ machen und reagiert nicht, wenn die erwar­tete Antwort vorhanden zu sein scheint (Helge geht ja nicht an das Telefon). Im offi­zi­ellen, frei zugäng­li­chen Video des Liedes versteckt Helge ein ausge­schnit­tenes Papier­herz in Gegen­ständen wie z.B. einem Kicker oder auch in einem Holz­ofen. Für mich steht das alles für eine Sehn­sucht nach Aner­ken­nung, Part­ner­schaft, Gemein­schaft, die der Angst weicht, sich auf solch eine weit­rei­chende Verbind­lich­keit und die damit einher­ge­hende Verant­wor­tung einzulassen.

Jemand gab mir erst vor kurzem die Verant­wor­tung dafür, dass er das von ihm gefor­derte Ziel nicht erreicht habe. An dem Prozess, der zu dem Ziel führen sollte, war ich betei­ligt. Bin ich aber nun dafür verant­wort­lich, dass er sein Ziel errei­chen kann? Oder habe ich mir diese Aufgabe, ohne dass ich das wollte, von ihm zuweisen lassen?

Ja und nein. Wir sind häufig in solche Wider­sprüche verwi­ckelt. Als Menschen und Christen sind wir Teil der Gesell­schaft und tragen Verant­wor­tung. Die Verant­wor­tung anderen zu über­tragen, gewollt oder nicht, ist immer einfach. Verant­wor­tung zu über­nehmen, schon gar für andere, ist schwer. Es ist ja schon schwer genug, für sich selbst Verant­wor­tung zu über­nehmen und mit den eigenen inneren Wider­sprü­chen des Lebens zurecht­zu­kommen. Wie kann ich dann denn noch die Verant­wor­tung für andere oder für gemein­schaft­liche Aufgaben über­nehmen? Aber genau das gehört zum Leben dazu. Die Wider­sprüche aushalten und annehmen, die Versa­gens­angst über­winden und Verant­wor­tung über­nehmen: das macht uns als Christen aus.

Wenn mir Zweifel kommen, ob ich den vor mir liegenden Aufgaben gewachsen bin oder ob ich für mich oder dritte neue Aufgaben über­nehmen soll, hilft mir ein Verspre­chen. Dieses Verspre­chen hat uns Gott gegeben. „Fürchte dich also nicht und habe keine Angst; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir bei allem, was du unter­nimmst“ (Josua 1,9). Dieses Verspre­chen haben meine Frau Rebecca und ich uns gegen­seitig geben. Bei uns heißt das verein­facht: Ich bin bei dir in allem, was du tun wirst.

Dirk Köster

 

 

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