Gedanken zum Tag – 21. Mai 2020, Christi Himmelfahrt

21. Mai 2020

Liebe Lese­rinnen und Leser,

von den „Sieben Werken der Barm­her­zig­keit“ hat jeder von Ihnen sicher­lich schon einmal gehört. Sie sind eine beispiel­hafte Aufzäh­lung von Hand­lungen, in denen sich Nächs­ten­liebe und Barm­her­zig­keit äußern. Die Siebte dieser christ­li­chen Tugenden, mit der ich tagtäg­lich beruf­lich zu tun habe, ist das „Bestatten der Toten“.

Und das scheint sich von selbst zu verstehen: Fast immer ist den Hinter­blie­benen eine liebe­voll gestal­tete Bestat­tung ein Herzens­an­liegen. Doch wie können wir jetzt unsere Verstor­benen auf dem letzten Gang begleiten, wo wir doch zuhause bleiben müssen? Wie können wir Anteil­nahme zeigen, wo wir doch Abstand halten müssen?

Seit Corona hat sich Vieles verän­dert. Es gibt neue Regeln, an die wir uns halten müssen, Vorschriften, die beachtet werden müssen. Wir müssen lernen, mit vielen Einschrän­kungen umzugehen.

Zum Glück verläuft die Pandemie hier bei uns noch recht glimpf­lich. In anderen Ländern, wie in Italien, Spanien oder in den USA sieht das ganz anders aus:
Ende März sprach der Bischof von Bergama, Fran­cesco Beschi, auf dem Friedhof von Bergamo ein Fürbitt-Gebet für die mehr als 1800 in Bergamo Verstor­benen und deren Ange­hö­rige, die sich nicht mehr verab­schieden konnten. “Wir dürfen dieje­nigen nicht mit ihrem Schmerz alleine lassen, die sehen, wie ihre Lieben im Nichts verschwinden”, warnte der Bischof.

Und eine Repor­terin berich­tete von dort: „In Bergamo stirbt man alleine. Und alleine wird man beer­digt, während ein Priester den Sarg segnet, auf dem ein Handy liegt, damit die Familie zuhören kann.”
Zustände, die wir hier in Deutsch­land hoffent­lich nie erleben werden. Und dennoch ist es ja zumin­dest ähnlich.

Es wirkt recht trostlos, wenn ich alleine mit meinen Mitar­bei­tern einen Sarg in aller Stille zu dem Grab bringe, wo dann später ein Abschieds­got­tes­dienst und die Beer­di­gung im Kreis der Nächsten unter freiem Himmel statt­findet. Keine Trau­er­feier in der Fried­hofs­halle, kein letztes Geleit mit Glocken­ge­läut, keine feier­liche Verab­schie­dung mit der Möglich­keit für Außen­ste­hende, daran teil­zu­nehmen und so ihre Anteil­nahme zu zeigen.

Sozu­sagen sang- und klanglos müssen unsere Verstor­benen im Moment auch hier bei uns bestattet werden. Das wirkt menschen­un­würdig und pietätlos.

Aber viel­leicht birgt das auch etwas Posi­tives in sich. Es eröffnet sich ein neuer Blick­winkel auf das Abschied­nehmen, auf den Tod. Durch die derzei­tige Situa­tion erfor­dert der Abschied im Tod eine ganz beson­dere, spezi­elle Art der Empa­thie und Krea­ti­vität von Geist­li­chen, Bestat­tern und betrof­fenen Angehörigen.

Von vielen Ange­hö­rigen habe ich gehört, dass die Zeichen des Mitge­fühls und der Anteil­nahme in dieser Zeit sehr viel inten­siver, bewe­gender und auch tröst­li­cher wahr­ge­nommen werden als zuvor.
Man merkt förm­lich, dass das Gefühl von Gemein­schaft und Soli­da­rität uner­wartet ergrei­fender und ermu­ti­gender sein kann. Und das tut auch gut.

Dass Menschen liebe­voll bestattet werden, ist nicht nur eine der sieben Tugenden der Barm­her­zig­keit. Es ist auch ganz konkret eine Erwar­tung, die Ange­hö­rige an die Seel­sor­ge­teams und auch an uns Bestatter haben.

Mir scheinen unter den aktu­ellen Bedin­gungen zwei Aspekte beson­ders wichtig zu sein: Zum einen müssen Menschen auch jetzt Abschied nehmen können, also die Endgül­tig­keit des Abschiedes irgendwie erleben.

Und zwei­tens müssen die Hinter­blie­benen spüren, dass sie nicht alleine sind. Auch – und viel­leicht sogar gerade – in Zeiten von Corona gibt es Mitge­fühl und Anteil­nahme, auch, wenn die Hinter­blie­benen viel­leicht das Gefühl haben, ihre Verstor­benen würden der „letzten Ehre“ beraubt.

Thomas Alfes-Zeppe­n­feld

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