Liebe Leserinnen und Leser,
Orientierung,
dieses Wort begleitet mich schon mein ganzes Leben, auf der Suche nach meinem eigenen Weg, aber besonders in meiner Arbeit mit jungen Menschen in der Lebensphase zwischen Familie, Schule, Beruf und Erwachsenwerden.
Orientierungstage im Jugendhof Pallotti sind nicht-alltägliche Tage für Schüler, Tage um Fragen zu stellen, über Themen nachzudenken und über Werte und Einstellungen ins Gespräch zu kommen. Wie stelle ich mir meine Zukunft vor? Wer bin ich? Wie sehen die anderen mich? Worin liegt der Sinn des Lebens? Eine Frage steht immer im Mittelpunkt: Was ist mir wichtig im Leben – wohin geht mein Weg?
Ich bin Pfadfinder. Bei Pfadfindern denkt man gleich an Wegsuche mit Karte und Kompass. Aber in einer Gruppe Pfadfinder zu sein, heißt auch, sich mit Gleichaltrigen oder Gleichgesinnten auf den Weg zu machen, Werte und Interessen zu teilen, Freunde zu haben, mit denen man sich für Gott und die Welt engagiert. Ich gebe zu, das klassische Pfadsuchen und
‑finden, das Sich-orientieren-Können ist für mich immer Leidenschaft. Das Navi erleichtert heute viel, aber man muss immer noch seinen Weg und sein Ziel eingeben, die richtige Abbiegung nehmen und den Überblick bewahren. Wer kein Ziel hat, braucht kein Navi, um sich zu orientieren.
Was ist das Ziel in meinem Leben?
Es tut gut, manchmal im Leben stehen zu bleiben und in Ruhe zurück und nach vorn zu schauen. Jugendliche in Orientierungstagen, Menschen in einer Auszeit oder auf Pilgerwanderungen erleben Orte und Zeiten, sich neu zu orientieren. Es sind Zeiten, über das Leben nachzudenken, zu fragen, was wichtig ist oder was nicht. Die Pandemie zurzeit ist auch so eine besondere Zeit. Eine für die meisten Menschen nie dagewesene Zeit der gemeinschaftlichen Sorge vor einer Gefahr, die alle Lebensbereiche verändert und einschränkt. In dieser Zeit der Einschränkung erleben wir, wie wichtig uns persönlicher Kontakt ist oder was es bedeutet, einen lieben Menschen nicht in den Arm nehmen zu dürfen. Vielleicht ist so eine Zeit auch der Zeitpunkt, den Kompass neu zu kalibrieren. Was ist mir wirklich wichtig im Leben? Wohin orientiere ich mich?
Wir leben in einer freien, individualisierten Welt – alles ist möglich –, daher ist es auch so schwer, sich zu orientieren. Wir müssen an den vielen großen und kleinen Weggabelungen unseres Lebens Entscheidungen treffen. Wer hilft uns dabei? In der Fülle von Informationen und Angeboten dieser Welt bieten Vergleichsportale scheinbare Orientierung. Jeder hat schon eine Frage bei Google eingeben und gehofft, auf diesem Weg Kriterien für Entscheidung und Orientierung zu finden. Gut, wenn man einige klare Wegweiser hat, wie „ich kauf nur fair gehandelt“ oder „meine Lieblingsmarke ist“…
Es braucht Wegweiser im Leben. Man orientiert sich an andern. Nicht tun, was alle tun, sondern das Verhalten, die Entscheidungen einer anderen Person schätzen. Jeder hat Vorbilder oder ein Vorbild, dem er ähnlich werden möchte, dessen Haltung und Verhalten man gut findet und bewundert. Vorbilder bieten Orientierung, das bedeutet gleichzeitig auch, wir können Vorbild für andere sein.
Für uns Christen ist Jesus ein Vorbild, sein Leben und seine Worte sind Orientierung.
Gott will unser Heil, unser Glück — das versuchen wir den jungen Menschen im Jugendhof mitzugeben. Unser Glaube und unsere Religion kann eine Orientierung bieten. Die christliche Botschaft der Nächstenliebe, die unendliche Liebe Gottes zu uns Menschen, ist ein festes, immerwährendes Angebot für uns und unser Zusammenleben. Wir sind alle berufen, dem Vorbild Jesu nachzufolgen und Orientierung für andere zu sein.
Gott glaubt an jeden von uns.
Mein Lieblings Text für den Abendimpuls im Jugendhof findet hier die passenden Worte:
(Nach Ulrich Schaffer)
Den Weg, den Du vor Dir hast, kennt keiner.
Nie ist ihn einer so gegangen, wie Du ihn gehen wirst.
Es ist Dein Weg.
Unauswechselbar.
Du kannst Dir Rat holen,
aber entscheiden musst Du.
Hör auf die Stimme Deines inneren Lehrers.
Gott hat Dich nicht allein gelassen.
Er redet in Deinen Gedanken zu Dir.
Vertraue ihm und Dir.
Nimm Dich an.
Sei Du die, die Du bist.
Sei Du der, der Du bist.
Erst dann fängst Du an, zu werden,
was Du sein möchtest.
Glaub,
dass du einen Beitrag zu geben hast.
Du wirst wahrscheinlich den Kurs der Welt nicht verändern,
kein Held auf internationaler Szene sein.
Aber da, wo Du bist,
wirst Du als Du gebraucht.
Weil Du unterwegs bist,
gehört auch Deine Veränderung zu Dir.
Auch sie ist einmalig.
Du bist auch, was Du wirst.
Was Du erlebt hast, hat Dich geprägt
und Dir Deine unauswechselbare Sicht gegeben.
Deinen Beitrag zur Welt wird keiner leisten,
weil niemand die Welt so sieht wie Du.
Georg Hunold
Geschäftsführer
Jugendhof Pallotti
Lennestadt