Der neue Leiter des Pasto­ralen Raums Olpe-Drol­s­hagen, Pfarrer Johannes Hammer, über seine neue Stelle, die Heraus­for­de­rungen der Kirche und die hiesigen Tradi­tionen. Das Inter­view wurde geführt am Freitag, den 16.07.2021.

Herr Pfarrer, für alle, die noch keine Chance hatten, Sie persön­lich kennen­zu­lernen: Wie beschreiben Sie sich? Welche Eigen­schaften spre­chen Sie sich zu? Was können Sie hervor­ra­gend? Und ganz wichtig: Für welchen Fußball­verein schlägt Ihr Herz?

Ich bin jemand, der gerne unter Menschen ist und sich mit ihnen austauscht, weil ich da die beste Gele­gen­heit habe, Menschen kennen­zu­lernen und auch zu hören, was Menschen bewegt, was sie beschäftigt.

Was ich hervor­ra­gend kann, möchte ich mich nicht äußern. Man soll sich nicht selbst loben. Was ich aller­dings sagen kann ist, dass ich, wenn ich einen Raum betrete, Menschen schon recht gut wahr­nehme. Das hat damit zu tun, dass es mir Freude macht, Menschen zu sehen und auch zu spüren, was im Raum passiert, wer da ist und auch wie Menschen reagieren. Ich glaube schon, dass ich da einen ganz guten Sensus habe.

Zum Thema Fußball: Ganz ehrlich, ich bin gewiss kein Fußball-Fach­mann. Ich habe gerade erst ein Tipp­spiel mit dem Pastoral-Team zur Euro­pa­meis­ter­schaft gemacht. Da war ich leider der Letzte. Wer weiß, wo ich bisher gelebt habe, der weiß auch, dass ich früher einmal in Dort­mund gear­beitet habe. Auch wenn das viel­leicht manche hier in Olpe nicht gerne hören: aus meiner vergan­genen Zeit besteht eher eine Sympa­thie für Borussia Dortmund.

Gab es in Ihrer bishe­rigen beruf­li­chen Lauf­bahn beson­dere Momente, Erleb­nisse, Ereig­nisse, Begeg­nungen, die Ihnen in Erin­ne­rung bleiben werden?

Das sind für mich viele persön­liche Begeg­nungen mit Menschen, sei es in freu­digen Situa­tionen oder auch in schwie­rigen bzw. trau­rigen Momenten, die mich geprägt haben, die ich begleitet habe und die ich auch mitnehme. Es ist einfach ein wunder­schöner Beruf, den ich habe. Inso­fern, dass ich mit Menschen zu tun habe, egal welcher Alters­stufe sie ange­hören und welchen Bildungs­stand sie haben. Und das ist auch das, was mich immer am Pries­ter­beruf gereizt hat. Ich habe schon zu meiner Schul­zeit gesagt, ich möchte einen Beruf haben, wo ich viel mit Menschen zusam­men­komme. Und in meinem pries­ter­li­chen Dienst hat sich das nach meiner Einschät­zung am ehesten erfüllt. Ich hatte auch mal daran gedacht, Lehrer zu werden. Ich hätte es dann im Wesent­li­chen aber nur mit einer Alters­gruppe zu tun gehabt. Da ist das Spek­trum in meinem jetzigen Beruf deut­lich vielfältiger.

Sie sagen, die beson­deren Momente waren insbe­son­dere die, wo Sie Freude und/oder Trauer mit Menschen geteilt haben. Freude teilen wir alle gerne, aber wie ist es mit dem Teilen von Sorgen, Ängsten und Nöten? Trägt man da nicht irgend­wann mal unglaub­lich viel auf seinen Schultern?

Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, damit umzu­gehen. Natür­lich gibt es belas­tende Situa­tionen. Da hilft es mir, dass ich persön­lich gut vernetzt bin, dass ich gute Freund­schaften pflege, in denen ich mich verortet weiß, wo ich auch mal im über­tra­genen Sinn die Beine hoch­legen und sagen kann, was mich bewegt. Ja, natür­lich, ich kann als Priester einfach nüch­tern irgend­etwas abar­beiten. Für mich ist es aber schon wichtig, die Dinge ein Stück weit an mich heran­zu­lassen. Selbst­ver­ständ­lich ist ein gewisser Selbst­schutz notwendig, weil die Menschen in der Beglei­tung erwarten, dass ich dies mit einer guten Mischung aus Nähe und Distanz tue. Das ist, glaube ich, besser, als wenn ich mit in ihre Probleme hinein­rut­sche, um ihnen auch Orien­tie­rung geben zu können. Aber es ist auch nicht so, dass es gut wäre, wenn ich völlig unsen­sibel wäre. Ja, also die Sensi­bi­lität ist unbe­dingt notwendig für diese Aufgabe. Ich denke aber, dass ich genü­gend Gele­gen­heiten finde, um einen guten Ausgleich zur beruf­li­chen Tätig­keit zu finden. Entweder, indem ich mich bei vertrauten Menschen ausspreche, aber ebenso durch körper­liche Betä­ti­gung. Ich fahre zum Beispiel ganz gerne Rad. Zu Beginn der Corona-Pandemie habe ich mir ein E‑Bike (Tourenrad) zuge­legt und bin damit oft unter­wegs. Dadurch habe ich in den letzten Wochen vieles erkunden können, was den Olper und Drol­s­ha­gener Raum angeht. Das ist ja ganz prak­tisch. Man fährt über die Dörfer, stellt kurz das Rad an der Kirche ab, geht rein, schaut sich um. Okay, so sieht das hier aus. Alles klar. Und dann auf zum nächsten Ort. So habe ich mir schon einiges erra­delt. Das, denke ich, ist und war immer ein guter Ausgleich.

 

“Hier ist vieles noch selbst­ver­ständ­lich, was dort schon lange nicht mehr selbst­ver­ständ­lich ist.”

 

Was bringen Sie mit — aus Atten­dorn, Iser­lohn, Dort­mund oder Menden — das Olpe von Nutzen sein wird oder dass die Ölper unbe­dingt brau­chen? Was ist neu für Sie in Olpe?

Ich wage nicht zu sagen, was die Ölper unbe­dingt brau­chen. Das ist nämlich schnell über­heb­lich. Das wissen die Ölper selbst am besten. Natür­lich, dadurch, dass ich an verschie­denen Orten war, bringe ich unter­schied­liche Dinge mit. Dadurch, dass ich hier in der Nähe geboren und aufge­wachsen bin, ist mir die südwest­fä­li­sche Menta­lität nicht fremd. Aber ich habe natür­lich auch schon anderes kennen­ge­lernt, wenn ich zum Beispiel an Dort­mund oder Iser­lohn denke. Das sind Städte, die ‚Ausläufer‘ des Ruhr­ge­biets sind, auch eine ganz andere Bevöl­ke­rungs­zu­sam­men­set­zung haben, sowohl was die Natio­na­li­täten angeht als auch die Reli­gionen und die Konfes­sionen. Ich habe in diesen Tagen dazu ein Beispiel vor Augen. Da sagten mir Leute: „Wir haben kaum noch Mess­diener. Es kommen nur noch zwei oder drei“. Dann antwor­tete ich immer: „Ich freue mich, dass sie da sind!“ Ich habe in Iser­lohn und in Dort­mund nämlich oftmals Situa­tionen gehabt, wo ich ganz allein am Altar stand, auch sonn­tags. Also inso­fern bin ich sehr dankbar für das, was ich hier antreffe. Hier ist vieles noch selbst­ver­ständ­lich, was dort schon lange nicht mehr selbst­ver­ständ­lich ist, gerade im Hinblick auf Kinder- und Jugend­ar­beit. Das wissen wahr­schein­lich die Menschen hier nicht hoch genug einzu­schätzen. Das ist ein wenig Kritik, die ich hier üben will. Ich weiß um die Tradi­tionen und dass hier früher mehr war. Und auch darum, dass auch in Olpe und Drol­s­hagen die kirch­li­chen Abbrüche deut­lich spürbar sind. Ich denke nicht zuletzt an die vielen Kirchen­aus­tritte. Aber immerhin, das, was derweil noch ist, weiß ich zu schätzen. Und aufgrund meiner früheren Tätig­keit kann ich auch mit einer großen Offen­heit mit Menschen umgehen, die eine andere Reli­gion, andere Konfes­sion oder andere Natio­na­lität haben. Damit bin ich durchaus vertraut und ich gewinne dabei immer etwas. Andere Ansichten, andere Kulturen kennen­zu­lernen und dadurch nochmal neu auf mein eigenes Leben zu schauen und auf unsere Kultur mit unserem christ­li­chen Glauben.

Zum Thema, was neu ist: Ich musste tatsäch­lich in den letzten Tagen die Heimat­kunde ein biss­chen auffri­schen, was zum Beispiel die geogra­phi­sche Lage der Dörfer angeht. Aber das ging dann doch recht fix. Und ich glaube, dass ich in den nächsten Wochen den Über­blick bekomme, was wo ist und wer wo ist. Hoffe ich zumin­dest (lacht), und für das Eine oder andere vor Ort verant­wort­lich ist.

Eine Station Ihrer beruf­li­chen Lauf­bahn war die Jugend­ar­beit. Welche Erfah­rungen haben Sie zur dama­ligen Zeit gemacht? Wie standen die jungen Menschen zum Glauben? Wie war Ihre Einstel­lung zur Insti­tu­tion Kirche? Und heute um die 25 Jahre später? Wie hat sich die Jugend Ihrer Erfah­rung nach verän­dert? Wie steht es heute mit dem Glauben und der Kirche?

Was mir sehr viel gebracht hat, war die Arbeit im Jugend­ver­band. Ich war eine Zeit lang Diöze­san­präses der Katho­li­schen Studie­renden Jugend (KSJ). Das ist ein Nach­fol­ge­ver­band des Bunds Neudeutsch­land und Heliand. Die älteren unter uns wissen um diese Verbände. Da habe ich gelernt, Kirche nochmal anders zu leben. Die Verbände sind stark demo­kra­tisch, von Mitbe­stim­mung geprägt. Von meiner Kind­heit und Jugend her kannte ich eher das hier­ar­chi­sche Kirchen­bild. Der Pfarrer geht voran, entscheidet und „alles wird gut“, ein biss­chen humor­voll gesagt. Dem ist nicht mehr so. Die Insti­tu­tion Kirche lebt sehr stark von den Impulsen, die durch das Zweite Vati­kanum (1962–65) gekommen sind, was Mitbe­stim­mung, Mitar­beiter und Mitar­bei­te­rinnen angeht, Über­nahme von Verant­wor­tung. Und ich habe den Eindruck, wir tappen in eine Falle, wenn wir sagen, es sind weniger Priester oder es gibt weniger haupt­amt­li­ches Personal und deshalb müssen die soge­nannten Laien mehr Verant­wor­tung über­nehmen. Sie müssen unab­hängig davon mehr Verant­wor­tung über­nehmen! Ansonsten wären Laien nur Lücken­büßer. Und das können sie und dürfen sie gar nicht sein. Die Zukunft der Kirche liegt nach meiner Einschät­zung darin, dass Menschen ihre Art, wie sie glauben und ihre Über­zeu­gungen mit einbringen und dadurch Kirche lebendig machen. Dabei hängt es von jedem Einzelnen ab und nicht nur von dem, der für alles Verant­wor­tung trägt oder voran­geht. Ich glaube, wir alle tragen Verant­wor­tung. Das ist die Sicht, die sich im Lauf der Jahre bei mir entwi­ckelt hat.

Zur Frage der Verän­de­rung der Jugend­li­chen in den letzten Jahren: Jugend­liche haben heute viel mehr Möglich­keiten, ihre Frei­zeit zu gestalten, als das früher der Fall war. Da war Kirche oder Kirchen­ge­meinde ein Angebot und dort fand alles statt. Heut­zu­tage gibt es viele Ange­bote neben der Kirche, die teil­weise besser laufen als im kirch­li­chen Bereich, vor allen Dingen was die Gestal­tung der Frei­zeit angeht. Jugend­liche sind distan­zierter, was die Insti­tu­tion der Kirche betrifft, auch viele Erwach­sene. Aber ich will nicht behaupten, dass sie deswegen weniger glauben. Ich kann mich an ein Gespräch mit jemandem erin­nern, das ich vor kurzem geführt habe, der sagte: „Ich glaube. Aber mir ist das, was Kirche zurzeit ausmacht und wie die Kirche agiert als Insti­tu­tion, zu eng.“ Das sollte zumin­dest nach­denk­lich stimmen und ein Anlass sein, über die eigene Posi­tion nach­zu­denken. Ich erlebe Kirche und Gesell­schaft zurzeit stark pola­ri­siert. Kirche spie­gelt immer die Befind­lich­keit einer Gesell­schaft wider. Die Gesell­schaft als Ganzes und somit die Kirche ist stark pola­ri­siert, was verschie­dene Meinungen, Posi­tionen angeht. Zum Beispiel zu den kriti­schen Fragen wie Pries­tertum der Frau, Zölibat, gleich­ge­schlecht­liche Liebe. Ich denke, wir müssen uns diesen Fragen bzw. Themen stellen. Und eines darf dabei nicht passieren, auch wenn wir unter­schied­liche Meinungen haben: dass wir nicht mehr am Tisch sitzen bleiben, sondern dass wir uns gegen­seitig mit unseren unter­schied­li­chen Posi­tionen aushalten.

 

“Ich denke, dass kirch­li­ches Mitein­ander immer ein Geben und Nehmen ist.”

 

Sie sagten eingangs, dass Ihre Arbeit mit Jugend­li­chen für Sie prägend im Hinblick auf demo­kra­ti­sche Struk­turen war, also sozu­sagen im Hinblick auf den Weg „von unten nach oben“. Das aktu­elle Bild der Kirche in der Öffent­lich­keit ist hingegen oftmals eines, das eher den Weg „von oben nach unten“ abbildet.

Für mich ist viel­fach über­ra­schend, wie Menschen zum Teil reagieren, wenn sie Kirchen­ver­treter tatsäch­lich erleben. Wenn sie mir zum Beispiel begegnen und sagen: „Ich habe Kirche bisher ganz anders wahr­ge­nommen als in der Art, wie Sie auf Menschen zugehen und mit Menschen umgehen.“ Dann merke ich, viele bedienen mitt­ler­weile Klischees, weil sie sich eher außer­halb der Kirche bewegen. Und ich habe den Eindruck, dass in den Gemeinden vor Ort bereits vieles schon von dem gelebt wird, was man von der Kirche als Gesamtes erwartet, sodass die Kritik, die an der Hier­ar­chie geübt wird, zum Teil unbe­rech­tigt ist, zum Teil berech­tigt. Und ich denke, dass kirch­li­ches Mitein­ander immer ein Geben und Nehmen ist. Es soll ein gutes Mitein­ander sein von Gemein­de­lei­tung, desglei­chen Kirchen­lei­tung, Bischof, Papst, und den Menschen, die vor Ort leben. Da bedarf es wirk­lich eines Zuhö­rens und eines echten Dialogs. Ich frage mich manchmal: „Findet der denn wirk­lich statt?“ Oder greifen da teil­weise Mecha­nismen, die in früherer Zeit tragend waren, die jedoch für mich auf Dauer nicht tragend sind, wenn ich an die Zukunft von Kirche denke. Wir werden in den nächsten Jahren in einer anderen, neuen Sozi­al­form von Kirche ankommen, ob wir wollen oder nicht. Da wird uns schon der liebe Gott hintreiben. Das ist meine Über­zeu­gung. Da sind wir mitten auf dem Weg. Und da wissen wir alle noch nicht so genau, wo dieser enden wird. Aber enden im posi­tiven Sinne, nicht, dass es dann der Unter­gang ist, sondern ein Schritt zu einem Neuan­fang, ein Schritt in eine gute Zukunft. Dass es auf dem Weg dorthin hier und da hakt und hier und da dann doch wieder Diver­genzen, Stress gibt, das ist normal. Da brau­chen wir noch einen langen Atem und die zeit­wei­lige Lektüre der Hl. Schrift zur eigenen Orientierung.

Und auch Geduld… 

Ja, das stimmt. Manche Leute sagen jedoch: „Wir haben schon lange genug Geduld gehabt. Es tut sich immer noch nichts.“ Denen sage ich: „Viel­leicht ist die Kirche mit ihrem langen Atem ja auch weise?“ Sie ist immerhin mit ihren gut 2.000 Jahren der älteste Global Player und bestand so manche Schwie­rig­keiten. Und es gab sicher­lich Zeiten, die noch viel turbu­lenter waren als die Jetzigen. Inso­fern kann ich ein Stück gelassen sein und brauche mich selbst nicht zu wichtig nehmen bzw. zu über­schätzen. Mein Leben währt nur eine kleine Zeit­spanne in der langen Geschichte der Kirche.

Mal ange­nommen, Sie werden einge­laden zu einem Kenn­lern-Rund­gang durch die große Gemeinde. Welchen Kuchen mögen Sie am liebsten zu Ihrem Kaffee?

Das werde ich nicht sagen, weil ich den sonst ständig aufge­tischt bekomme.

Ich habe einmal in einer meiner früheren Gemeinden den Fehler begangen, zu sagen, welche Suppe ich gerne esse und bekam dann regel­mäßig eben dieselbe vorge­setzt. Das lassen wir mal lieber.

Welchen Ort und welche Person in der Gemeinde möchten Sie unbe­dingt kennen­lernen und warum? 

Also das ist ja eine hoch­ge­fähr­liche Frage, weil ich alle ausschließe, die ich nicht nenne. Auch das lasse ich lieber. Ich möchte jeden Ort kennen­lernen. Ich bin für ein großes Gebiet verant­wort­lich. Und da habe ich schon den Anspruch, mich überall zu zeigen und mit den Menschen vor Ort in Kontakt zu kommen. Egal wer es ist. Da jetzt selektiv vorzu­gehen, hielte ich für unklug. Natür­lich, wenn es darum geht, einen neuen Arbeits­be­reich zu erkunden, dann muss man mit bestimmten Personen zuerst in Kontakt kommen. Das sind sicher­lich die Spre­cher aller Gremien, Kirchen­vor­stände, Pfarr­ge­mein­de­räte, etc. Natür­lich habe ich mich im Vorfeld eben­falls mit Pfarrer Stei­ling ausge­tauscht und mit den Mitglie­dern des Pasto­ral­teams. Ich tausche mich ebenso mit Pfarrer Leber und seinen pasto­ralen Mitar­bei­tern und Mitar­bei­te­rinnen in Drol­s­hagen aus und bespreche mit ihnen die Frage, wie der Über­gang bis zum neuen Dienst­an­tritt von Pfarrer Leber am 1. November 2021 in Alten­hundem gestaltet werden.

Worauf freuen Sie sich?

Auf die Messe heute Abend auf dem Ümme­rich (lacht)!

Ich freue mich, weil die Schüt­zen­feste bzw. Schüt­zen­messen immer wieder Gele­gen­heiten bieten, neue Menschen kennen­zu­lernen. Selbst wenn es pande­mie­be­dingt weitaus weniger sind als sonst. Ich habe jetzt schon einige Schüt­zen­messen gefeiert; wenn man die Schützen kennt, kennt man das Dorf bzw. die Stadt. An den Schützen kommt man hier im Bereich in Südwest­falen nicht vorbei. Auch nicht an der Feuer­wehr und an der einen oder anderen weiteren  Grup­pie­rung. Und das war für mich schon sehr aufschluss­reich. Ich war in Saßmicke, ich war in Rhode, ich war in Neuenkle­us­heim. Ich bin bald in Rübling­hausen und in Sondern zur Schüt­zen­messe und heute Abend natür­lich auf dem Ümmerich.

Darüber hinaus gibt es so viele Dinge, auf die ich mich freue. Vor allem aber sind es die Menschen.

 

“Es ist schon wichtig, dass die Teil­be­reiche des Pasto­ralen Raumes lebendig sind und lebendig bleiben.”

 

Der Pasto­ral­ver­bund Olpe und der Pasto­ral­ver­bund Kirch­spiel Drol­s­hagen werden zukünftig zusam­men­ge­legt. Welche Vorteile sehen Sie in einer derar­tigen Zusam­men­füh­rung? Welche even­tu­ellen Schwie­rig­keiten könnten Ihrer Meinung nach auftreten?

Damit das schon mal von Anfang an klar ist und das habe ich ja auch schon im Gesamt­pfarr­ge­mein­derat gesagt: Ich bin kein Freund von großen pasto­ralen Räumen. Auch wenn sich das jetzt wider­sprüch­lich anhört. Ich bin beauf­tragt, einen großen Raum zu leiten, weiß aber sehr genau, dass das nicht in jeder Hinsicht hilf­reich ist. Es trägt zur teil­weisen Anony­mi­sie­rung anstatt zur persön­li­chen Begeg­nung bei. Es ist schon wichtig, dass die Teil­be­reiche des Pasto­ralen Raumes lebendig sind und lebendig bleiben. Sonst funk­tio­niert das Ganze nicht. Subsi­diäre Struk­turen sind das Nonplus­ultra und daraufhin möchte ich arbeiten. Ich mag auch das Wort „Zusam­men­legen“ nicht. Ferner nicht das Wort „Fusion“. Das sind Begriffe, die provo­zieren und nicht weiter­helfen. Ebenso das Wort „Zentra­li­sie­rung“ mag ich nicht. Statt­dessen spreche ich lieber von „Subsi­dia­rität“. Wir müssen vernünf­tige Struk­turen entwi­ckeln. Wo deut­lich wird, dass jeder vor Ort das machen kann, was seinen Ort angeht, auch selbst gestalten kann, ohne das Gesamte aus dem Blick zu verlieren. Und umge­kehrt: wer für das Gesamte verant­wort­lich ist, muss den Blick für die Details vor Ort bewahren. Das ist ein Geben und Nehmen. Chancen sehe ich schon darin, wenn man einander wahr­nimmt, einander zuhört, z.B. nächste Woche, wenn die Geschäfts­führer der Kirchen­vor­stände zusam­men­sitzen, werden sie als ersten Punkt zunächst einmal erzählen: was ist denn bei Ihnen vor Ort? Vieles bekommen wir vonein­ander gar nicht mit und im Gegen­teil davon kann durchaus eine Berei­che­rung liegen. Einfach mal zuhören. Wie macht Ihr das denn? Und wie läuft das bei Euch? Kann das eine Anre­gung für uns sein? Oder können auch Menschen von uns dort bei Euch das bekommen, was sie bei uns nicht erhalten, weil es diese Ange­bote bei uns ganz einfach nicht gibt?

Viel­leicht nochmal nach­ge­fragt zum Thema „Pasto­ral­ver­ein­ba­rung“ und der Ungleich­zei­tig­keit, die wir da in Prozessen haben in Olpe und Drolshagen.

Ich halte es für richtig, in mehreren Schritten vorzu­gehen. Zunächst möchte ich die soge­nannte Steue­rungs­gruppe aus der Zeit der Verab­schie­dung der Pasto­ral­ver­ein­ba­rung reak­ti­vieren, aller­dings mit der Maßgabe, dass noch zwei, drei Vertreter aus Drol­s­hagen dabei sind. Und das sind für mich erst einmal die Vordenker, die über­legen sollen, wie ein solcher Prozess des Zusam­men­wach­sens ange­stoßen werden kann. Nicht zusam­men­ge­führt werden, sondern zusam­men­wachsen und Iden­tität entwi­ckeln für den gesamten pasto­ralen Raum, ist dabei das Leit­bild. Wenn dann erste Ergeb­nisse vorliegen, möchte ich auf das Pasto­ral­team, die Pfarr­ge­mein­de­räte und die Kirchen­vor­stände zugehen und mit diesen in einen Austausch darüber kommen, wie es denn gehen mag. Auf keinen Fall will ich, dass die Pasto­ral­ver­ein­ba­rung dras­tisch gesagt in die Müll­tonne gekloppt wird, sondern dass sie um den Teil ergänzt wird, der dann Drol­s­hagen ausmacht. Da müssen wir gut schauen. Über­legen, wie das funk­tio­nieren kann.

Ich habe den Vorteil, dass ich den Prozess, der jetzt vor uns liegt, schon zweimal durch­laufen habe. Einmal 1999 in Menden „im Klein­format“. Da hatte ich die Leitung des Pasto­ral­ver­bundes Menden-Nord. Als ich meine erste Pfarr­stelle über­nommen hatte, sollte ich vier Gemeinden in einen Verbund zusam­men­führen und habe dabei gelernt, was alles schief gehen bzw. nicht gut laufen kann. Danach von 2008 bis 2021, 13 Jahre lang, der Pasto­ral­ver­bund Iser­lohn, der vorher aus drei Pasto­ral­ver­bünden bestand. Hier habe ich schritt­weise eine Gemeinde nach der anderen über­nommen. Erst hatte ich zwei Gemeinden, am Ende waren es neun. Die Reak­tionen, die im Laufe eines solchen Prozesses aus den Kirchen­ge­meinden kommen, sind ganz normal: „Hilfe, wir gehen unter! Hilfe, wir werden feind­lich über­nommen! Unser Geld geht jetzt nach Olpe!“ Ich habe bei der Vermö­gens­ab­gabe in Drol­s­hagen zu einem der vier Kirchen­vor­stände gesagt: „Ihr habt ja ganz gut Geld. In Olpe braucht man ein biss­chen was … (lacht wegen seiner humor­vollen Anek­dote)!“ Bumms, das Getöse war groß. Im Ernst, man braucht nur bestimmte Tasten zu drücken und schon geht’s rund. Klar, oder die Menschen befürchten: „Wir sind nicht mehr im Blick und bei uns werden keine Messen mehr gefeiert.“ Das ist dann die große Not, die gerne thema­ti­siert wird. Aber, ehrlich gesagt, ist das ja jetzt schon einge­treten. Es ist nun beileibe nicht so, dass das Mess­an­gebot, welches wir zurzeit haben, noch dem entspricht, was wir vor 50 oder selbst noch vor 20 Jahren hatten. Die Situa­tion war eine andere, so dass jetzt schon in manchen Orten keine regel­mä­ßige Eucha­ris­tie­feier mehr statt­findet. Für mich ist entschei­dend, dass weiterhin vor Ort gebetet wird und dass die Leute sich nicht davon abhängig machen, dass ein Priester kommt und dass sie nur dann beten können, wenn ein Priester da ist. Hier geht es um ein Kirchen­bild, welches wir fahr­läs­siger Weise über Jahr­zehnte geprägt haben, und wo es jetzt darum geht, zu lernen, dass Gebet etwas sehr Wich­tiges ist und es nicht allein davon abhängt, dass wir unsere gewohnte Messe in unserer Kapelle feiern können. Was ich zum Beispiel in Neuenkle­us­heim sehr schön finde, es ist ja auch auf der Home­page des Pasto­ral­ver­bundes zu finden: da sind mehrere Frauen, die sich zusam­men­getan und gesagt haben: „Wir machen jetzt neue Gottes­dienst-Formate.“ Das müssen nicht unbe­dingt Wort-Gottes-Feiern sein. Das ist eine sehr enge, sehr profi­lierte Form. Es gibt viele andere Formen von Litur­gien, unab­hängig davon, ob jetzt ein Pastor kommt oder nicht, wo sie selbst versu­chen, zu beten und etwas zu tun, was inter­es­sant und attraktiv sein kann. Mir ist klar, dass die ältere Gene­ra­tion mit solchen Gedanken weniger gut umgehen kann. Das werden wir nicht ändern. Das muss ich so respek­tieren, wie es ist. Das ist jetzt die Gemenge­lage und wir müssen in der zweiten Jahres­hälfte schauen, wie wir Drol­s­hagen mit in den Fokus nehmen und wie wir, wenn Pastor Leber geht, wie wir dann die Dienste möglichst gut aufteilen, so dass alle Gemeinden im Blick bleiben. Jedoch in der Art und Weise, dass das getan werden kann, was möglich ist. Mehr nicht.

Die Pasto­ral­ver­ein­ba­rung beschreibt die Notwen­dig­keit des verstärkten Einbin­dens von Laien bzw. ehren­amt­lich Tätigen. Wie kann das in Ihren Augen gelingen?

Das habe ich bereits benannt. Die Einbin­dung von Laien und Ehren­amt­li­chen ist für mich eine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Ich bin nur so gut wie die Menschen, die mich umgeben, gut sind und die Arbeit machen.

Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Arbeit im Pasto­ral­ver­bund Olpe und Drol­s­hagen? Was haben Sie sich vorge­nommen? Was ist Ihnen bei Ihrer Arbeit wichtig? Und woran werden Sie erkennen können, dass Sie erfolg­reich waren?

Eines ist wichtig: dass wir nicht den Riesen­fehler machen, nur über Struk­turen zu disku­tieren. Das haben wir schon die letzten Jahre in unserem Erzbistum mehr als ausführ­lich getan. Die Versu­chung ist groß, wenn solche großen Gebilde zusam­men­kommen, dass man nur Struk­tur­de­batten führt. Das ist verhäng­nis­voll. Dabei kommen dann andere Themen zu kurz und die entschei­dende Frage, welche Voraus­set­zungen geschaffen werden müssen, dass Menschen den christ­li­chen Glauben weiter prak­ti­zieren? Das ist für mich das Grund­le­gende. Das gilt auch für die Arbeit des Gesamt­pfarr­ge­mein­de­rates. Wenn der am Ende seiner Legis­la­tur­pe­riode sagt: „Wir haben nichts geschafft, wir haben nur schön disku­tiert…“, dann stimmt etwas nicht. Ich habe dies­be­züg­lich in der vergan­genen Sitzung des Pfarr­ge­mein­de­rates gesagt: „Lasst uns doch mal schauen, über welche Themen wir mitein­ander spre­chen wollen.“ Es dürfen nicht allein Struk­tur­fragen sein. Für mich ist äußerst wert­voll – damit ziele ich auf das, was ich aufmerksam auf der Home­page im Pasto­ral­ver­bund Olpe verfolge – dass jeder in der Lage ist, über seinen eigenen Glauben zu spre­chen und selbst Zeugnis davon geben kann. Seit Bekannt­gabe meiner Ernen­nung zum Pasto­ral­ver­bund­leiter in Olpe und Drol­s­hagen habe ich sehr zeitnah die GEDANKEN ZUM TAG verfolgt, weil ich das für einen sehr guten Ansatz halte. Ist es nicht viel­leicht noch glaub­wür­diger, wenn nicht der Pastor, sondern jemand anders, der „kein Profi“ ist, erzählt, was in seinem/ihrem Leben wichtig ist, was seine/ihre Werte sind und woran er/sie glaubt oder nicht glaubt? Das kann mehr bewegen als alles andere. Und das ist auch mein Ziel, das wir in den nächsten Jahren in dieser Weise in einen guten Austausch kommen.

 

“Wir kommen erst dann ans Ziel, wenn sich jeder selbst nicht so wichtig nimmt und immer wieder daran denkt, dass es bei allem um Jesus Christus geht.”

 

Kirche gestalten, um sie lebendig und attraktiv zu halten. Wie ist Ihre Vorstel­lung einer zukunfts­ori­en­tierten Kirche? Wie sehr muss sich Kirche verän­dern und wie sehr kann sie mit der Zeit gehen? Was wünschen Sie sich von einer modernen Kirche? Welche Rolle wird der Glaube in der Zukunft haben?

Ich habe es ja im Grunde genommen schon ausge­spro­chen, wobei ich Demo­kratie, Mitbe­stim­mung nicht unbe­dingt als Allheil­mittel für alles und jedes erachte. Beste Demo­kratie funk­tio­niert, wenn die Menschen mit einer entspre­chenden Haltung daran­gehen. Wir kommen erst dann ans Ziel, wenn sich jeder selbst nicht so wichtig nimmt und immer wieder daran denkt, dass es bei allem um Jesus Christus geht. Dann sind wir auf einem guten Weg. Na ja, dann kann das eine Demo­kratie sein oder sonst eine Sozi­al­ge­stalt der Gesell­schaft oder der Kirche: Sie funk­tio­nieren nur und bewegen etwas, wenn sie Christus nicht aus dem Blick verlieren. Was nützt die beste Demo­kratie, wenn Menschen doch nur um sich selbst kreisen und ihren eigenen Vorteil suchen, diesen wohl­mög­lich noch vor Gericht einklagen. Es geht um das Verän­dern und Einüben von Haltungen, die Mensch­sein und das Mitein­an­der­leben fördern. Das ist meine Überzeugung.

Und wenn ich als Pfarrer Entschei­dungen fälle, bin ich immer gut beraten, andere nach ihrer Meinung zu fragen, damit ein Konsens möglich ist. Mein Ziel war bisher immer, möglichst wenig, am besten gar nichts allein zu entscheiden, sondern zumin­dest die Spre­cher von Gruppen und Gremien einzubinden.

Wir erleben viel Rück­be­sin­nung auf Werte, Persön­lich­keit und Charakter. In der Zukunft zählen Berufe, die sich durch Empa­thie auszeichnen — als Kontrast­pro­gramm zur künst­li­chen Intel­li­genz. Menschen­zen­trie­rung als Stich­wort — ein „Trend“ auch in der Unter­neh­mens­kultur und in der Führung. Diese Gedanken könnten Aufschwung sein für christ­liche Inhalte. Was meinen Sie dazu?

Im Grunde habe ich das vorhin ange­spro­chen. Ganz prak­tisch: ich habe nicht vor, den Menschen in den Gemeinden zu erzählen, was sie zu tun haben, sondern sie zunächst einmal zu fragen: „Was bewegt Dich?“, „Was kannst Du gut?“, „Was möch­test Du gerne tun?“ und „Wie kann ich Dich dabei unter­stützen?“ Das ist für mich der grund­le­gende Ansatz. Und dann werden die Leute auch Freude daran behalten, sich einzu­setzen. Das ist zurzeit mein Credo. Wichtig ist zudem, möglichst viel zu kommu­ni­zieren. In jeder Gemeinde, in der ich bisher war, wurde immer gesagt: „Hier läuft eine schlechte Kommu­ni­ka­tion.“ Das ist tatsäch­lich in jeder Gemeinde immer ein Grund­thema. Es wird nicht die ideale Kommu­ni­ka­tion geben, aber wir leben schon davon, gut mitein­ander zu kommu­ni­zieren und möglichst viele mit einzu­be­ziehen, wenn wir Entschei­dungen treffen.

 

“Die Kirche muss dabei nicht hinter jedem Zeit­geist herlaufen.”

 

Kirche in der Krise, Kirche in der Kritik – Skan­dale und Kirchen­aus­tritte. Welche Chancen sehen Sie für die katho­li­sche Gemein­schaft ganz aktuell?

Wie gesagt, ich mache mir Sorgen, dass wir unter­schied­li­chen Posi­tionen und ein Stück weit uns selbst nicht aushalten können. Aber das ist eben für mich das Entschei­dende. Und deshalb scheue ich es nicht und mag es auch, mit Menschen zusam­men­zu­kommen, die eine ganz andere Meinung vertreten und mit diesen darüber zu spre­chen. Anders wird es nicht gehen. Darin liegen Chancen im Sinne einer Neube­sin­nung. Ebenso, sich in Frage stellen zu lassen. Die Kirche muss dabei nicht hinter jedem Zeit­geist herlaufen. Aber gerade zurzeit ist es unbe­dingt notwendig, Kritik auszu­halten, damit gut umzugehen.

Welche Antworten gibt die Kirche in der Corona-Krise? Wie erreicht sie die Gläu­bigen? Welche neuen Formen des Betens, des Zusam­men­seins werden erfunden? Was wird neu, was anders? Wie wandelt sich die Rolle der Kirche in Krisen­zeiten? Ganz frei – Was müsste Kirche tun, um in Zeiten der pande­misch bedingten Entfrem­dung oder Isola­tion rele­vante Ange­bote unter­breiten zu können?

Wir haben alle in den letzten Wochen und Monaten gelernt, was es heißt, mit einer Pandemie umgehen zu müssen. Einschrän­kungen ja, aber es ist auch viel Krea­ti­vität dadurch entstanden. Eine andere Form von Stern­singer-Aktion oder die Gestal­tung von kirch­li­chen Festen wie Ostern und Weih­nachten. Ich erin­nere mich an eine Aktion in Iser­lohn namens „Weih­nachten im Karton“. Da wurden verschie­dene Kartons gepackt, passend für Ehepaare, passend für Fami­lien, passend für Allein­ste­hende, mit bestimmten Gegen­ständen, mit denen sie selbst Weih­nachten gestalten konnten. Das hat viel Krea­ti­vität beför­dert. Ich bin nicht ein Verfechter derer, die sagen, Kirche hätte sich in der Pandemie zurück­ge­zogen und die Leute im Stich gelassen. Das wird oftmals geäu­ßert. Da ist trotz allem viel passiert. Ich denke beispiels­weise an die viel­fäl­tige Nach­bar­schafts­hilfe. Klar, es hat die persön­liche Begeg­nung der Menschen in der Anfangs­phase der Pandemie gelitten, weil keiner so genau wusste, wie gefähr­lich das Virus ist. Wie funk­tio­niert die Über­tra­gung dieses neuen Virus? Damit haben wir mitt­ler­weile gelernt, umzu­gehen und wir haben unheim­lich aufge­holt. Noch nicht ganz, was die modernen Medien angeht, und fest­ge­stellt, dass man dadurch natür­lich noch viel mehr Menschen errei­chen kann. Es wird gele­gent­lich darüber disku­tiert, inwie­fern Live-Streams von Gottes­diensten Sinn machen oder nicht. Ich bin der Ansicht, dass man damit nur bestimmte Alters­gruppen erreicht. Jugend­liche und Kinder schon mal gar nicht. Jugend­liche bräuchten eher kurze Video­clips von 2–3 Minuten, dann ist für sie, salopp gesagt, schon Weih­nachten. Die werden keine ganze Christ­mette auf dem Laptop anschauen. Aber immerhin. Und wenn das gut gemacht ist, dann hat man schon viel gewonnen. Also ich glaube, gerade was die modernen Medien angeht, da haben wir gemerkt, dass wir viel Aufhol­be­darf haben. Und hier und da haben wir auch ganz gut etwas auf den Weg gebracht. Wenn ich z.B. durch die Brille der Ökologie schaue: ich hatte in der vergan­genen Zeit viele Konfe­renzen. Durch Video­be­spre­chungen habe ich mir viele Auto­ki­lo­meter gespart. Wobei das nicht immer gut ist. Also, wenn man sich kennt, kann man sich über digi­tale Konfe­renzen abspre­chen. Aber sonst „live am Tisch“ ist dann doch sehr hilf­reich, gerade wenn man sich noch nicht gesehen hat. Deswegen hatte ich im ersten Auftakt mit dem Gesamt­pfarr­ge­mein­derat größten Wert darauf­ge­legt, dass wir uns live in St. Marien treffen, um einfach auch mal die Leute zu sehen und wahr­zu­nehmen. Also, Präsenz wird nicht durch die modernen Medien ersetzt.

Apropos Präsenz, viele glauben nicht, dass wir nach der Pandemie in Gottes­diensten und sons­tigen Veran­stal­tungen wieder die alte Präsenz bzw. Besu­cher­stärke errei­chen werden. Wie sehen Sie das?

Das glaube ich eben­falls nicht. Das ist für mich aber keine Tragödie. Viel­leicht wird manches dadurch ehrli­cher. Hängt es allein davon ab, dass die Kirche prop­pen­voll, dass der Gottes­dienst für mich „der Hype“ ist? Natür­lich ist es schön, vor vielen Menschen zu sein, mit vielen Menschen zusammen zu feiern, um Gottes Willen. Aber ich denke, es spielen noch andere Krite­rien eine Rolle, damit ein Gottes­dienst Dichte hat und Menschen anrührt. Und das ist nicht allein von der Besu­cher­zahl abhängig. Sehr kurz gefasst sage ich dann immer: „Ich mache Seel­sorge und keine Zählsorge.“

 

“Es geht um den Kern des Glau­bens, dass wir uns unter den Schutz Gottes stellen.”

 

Kommen wir zu einigen Fragen betref­fend Beson­der­heiten und Tradi­tionen des Pasto­ralen Raumes Olpe-Drol­s­hagen. Es gibt in Olpe etliche Gelübde, z.B. das Agatha-Gelübde und das Rochus-Gelübde. Die Agatha­pro­zes­sion am 5. Februar (bzw. am Sonntag danach) findet immer statt. Die Rochus­pro­zes­sion am 16. August (bzw. am Sonntag danach) gibt es seit einigen Jahren mangels zu geringer Betei­li­gung nicht mehr. Die Bewohner der West­fä­li­schen Straße, der Rochus­straße und der Felmicke fanden das sehr schade. Wie stehen Sie zur Einhal­tung dieser jahr­hun­der­te­alten Gelübde?

Ja, wie stehe ich dazu? Wenn es reiner Tradi­tio­na­lismus ist, brau­chen wir es nicht mehr zu machen. Also Tradi­tionen ohne Gehalt, die sind hohl, die sind leer. Deswegen ist es entschei­dend, wenn diese Tradi­tionen gepflegt werden, an den Gehalt zu erin­nern. Worum geht es da eigent­lich? Und einen Über­trag herzu­stellen auf die heutige Zeit. Die sind aus einer gewissen histo­ri­schen Situa­tion heraus entstanden, beinhalten aber Anknüp­fungs­punkte für die Jetzt­zeit. Ich habe, neugierig wie ich natür­lich war, den Live­stream beim dies­jäh­rigen Agatha­fest gesehen. Ich habe verfolgt, wie der Stadtrat sein Gelübde erneuert hat. Das sind gute Tradi­tionen, wenn sie auch gelebt werden, indem der Bezug zur Jetzt­zeit herge­stellt wird. Pfarrer Clemens Stei­ling hat das in seiner Predigt sehr gut heraus­ge­stellt und das ist auch mein Anliegen, wenn es um die Pflege von Bräu­chen geht. Also zu sagen, das haben wir immer schon so gemacht, ist natür­lich nicht das Entschei­dende, sondern es geht um den Kern des Glau­bens, dass wir uns unter den Schutz Gottes stellen und uns daran erin­nern lassen, dass ohne eine Rück­bin­dung – Reli­gion heißt ja zu Deutsch Rück­bin­dung – Mensch­li­ches Zusam­men­leben nicht funk­tio­niert. Nun ist es in Olpe und Drol­s­hagen so, dass man noch weitest­ge­hend weiß, was katho­lisch ist und was Christ­sein bedeutet. Das ist in Dort­mund und in Iser­lohn so nicht mehr so selbst­ver­ständ­lich. Und da war es für mich dann dort auch umso span­nender, mit Menschen in Berüh­rung zu kommen, die nicht mehr glauben oder die große Distanz zur Kirche haben. Da ist der Kern des Glau­bens umso mehr gefragt und ins Wort zu bringen. Also, wie gesagt, den Gehalt der Tradi­tionen heraus­zu­stellen, das Gute in die Zukunft zu tragen, das ist für mich wichtig. Wenn es aber nur noch hohl und leer ist, dann muss man sich die Frage stellen, ob man es über­haupt noch tun soll.

Es gibt in Olpe im Frühjahr/Sommer zwei Prozes­sionen, die Fron­leich­nams­pro­zes­sion und die Christi-Himmel­fahrts-Prozes­sion. Die Fron­leich­nams­pro­zes­sion in der Stadt ist (bisher) unstrittig. Bezüg­lich der Christi-Himmel­fahrts-Prozes­sion gab es vor einigen Jahren im Gemein­de­aus­schuss die Diskus­sion, ob man nicht den ersten Teil (vor dem Gottes­dienst auf dem Kreuz­berg) ausfallen lassen sollte. Wie stehen Sie zu diesen Prozessionen?

Ich bitte um Verständnis, aber diese Frage kann ich noch nicht beant­worten. Ich muss mir das erst einmal anschauen, mir selbst ein Bild machen. Die Frage ist so gestellt, als ob ich hier schon länger arbeiten würde und die Prozes­sionen kenne. Ich finde das nicht ange­messen. Lassen Sie mich erst einmal schauen und dann kann ich mir eine Meinung bilden.

Es gibt in Olpe (bzw. aus dem Olper Raum) seit 1760 die Wall­fahrt nach Werl, seit 1985 auch wieder als Fußwall­fahrt. Könnten Sie sich vorstellen, auch einmal an einer solchen Fußwall­fahrt teil­zu­nehmen (evtl. auch nur tageweise)?

Also, vorstellen kann ich mir Vieles. Ich muss sehen, inwie­weit das für mich machbar ist. Ich bitte darum, darüber nach­zu­denken, dass auch Drol­s­hagen ein ausge­prägtes Prozes­si­ons­wesen hat und es dort eben­falls die Erwar­tung, dass ich überall dabei bin, gibt. Ich bin mal gespannt, ob ich das einhalten werde. Ich war jetzt schon beim Send­schotter Rund­gang. Das war auch gut. Bezie­hungs­weise ich war nur beim Gottes­dienst, bin nicht mitge­gangen. Vorstellen kann ich mir Vieles, ich muss nur zusehen, wie sich das zeit­lich alles verein­baren lässt. Dass Wall­fahren Sinn macht und ja, auch ein schönes Spie­gel­bild unseres Lebens ist, muss ich nicht erklären. Unser ganzes Leben ist eine Wall­fahrt, eine Pilger­reise. Und dass ich so etwas auch gerne mache. Ich habe in meinen früheren Gemeinden ab und an eine Reise nach Sant­iago de Compos­tela ange­boten. Oder nach Israel. Oder nach Rom. Das sind die klas­si­schen Wall­fahrts­orte schon der frühen Kirche gewesen. Ohne Frage. Aber, was das Konkrete angeht, vorstellen kann ich mir das. Ich muss aber schauen, ob es funktioniert.

Es gibt jedes Jahr auch Menschen, die mit dem Fahrrad nach Werl fahren. Das wäre doch mal was, wo Sie doch so gerne Radfahren?

Genau. Ich habe Ambi­tionen, was das Fahr­rad­fahren angeht. Aber auch das Gehen verab­scheue ich keines­falls. Fast jeden Abend mach ich vor dem Zu-Bett-Gehen noch einen Rund­gang, egal wie spät oder früh es ist. Dann gehe ich im über­tra­genen Sinne nochmal den ganzen Tag durch. Dann mache ich eine Runde. Egal ob es hell oder dunkel, trocken oder regne­risch ist. Ich bin jemand, der sich gerne bewegt. Nicht nur mit dem Rad.

In Welschen-Ennest wurden vor einigen Wochen 17 Fahnen von Heiligen geweiht, die nun regel­mäßig am Gedenktag für die Heiligen den Vorplatz der Kirche schmü­cken sollen. Könnten Sie so etwas auch in Olpe vorstellen? Heilige/Selige hätten wir ja genug.

Vorstellen kann ich mir Vieles, aber nichts ohne Rück­sprache mit denen, die mit mir zusammen Verant­wor­tung tragen.

Damit Sie es richtig verstehen, ich habe einen Sensus für Heilige, ja, vor kurzem eine anrüh­rende Situa­tion erlebt: Ich hatte ein Problem, eine Frage. Ich dachte, Mensch setz‘ Dich mal kurz­weilig in die Kirche. Dann habe ich mich hier in St. Martinus bei Maria Theresia Bonzel vor das Aller­hei­ligste begeben. Mein Anliegen löste sich schneller als gedacht. Das habe ich dann kurze Zeit später einer der Olper Fran­zis­ka­ne­rinnen erzählt. Ich sagte: „Mensch, das ist ja inter­es­sant…“ Da meinte sie humor­voll: „Ja, da können Sie öfters hingehen. Maria Theresia ist sehr rege.“

Viel­leicht wisse Sie schon, dass ich in einer geist­li­chen Gemein­schaft ange­höre. Es geht dabei um dabei um einen der jüngeren Heiligen unserer Kirche, der jetzt noch selige Charles de Foucauld, der bald heilig­ge­spro­chen wird. Das ist die Gemein­schaft Charles de Foucaulds (1858 – 1873), speziell eine Priester-Gruppe, der ich mich verbunden weiß. Es gibt unter­schied­liche Grup­pie­rungen dieser Gemein­schaft. Es gibt Fami­li­en­gruppen welt­weit. Es gibt auch klei­nere Ordens­ge­mein­schaften, die Schwes­tern vom Bruder Karl in Dort­mund zum Beispiel. Also nur, dass sie wissen, einen Bezug habe ich zu den Heiligen, dass da keine Miss­ver­ständ­nisse aufkommen.

Warum sind sie gerade in der Charles de Foucauld-Grup­pie­rung? Hat das Ihre Biogra­phie so ergeben?

Ja, das kann man so sagen. Ich habe ein, zwei Priester kennen­ge­lernt, die der Grup­pie­rung ange­hörten und mich zu Studi­en­zeiten dann dieser ange­schlossen. Mir war es wichtig, mich zumin­dest einmal im Monat mit Gleich­ge­sinnten zu treffen. Wir sind insge­samt acht Mitbrüder in unserer Gruppe. Wir treffen uns meis­tens montags vormit­tags zum Früh­stück und tauschen uns danach über einen Bibel­text aus. Es folgt das Mittag­essen. Wenn jemand ein persön­li­ches Anliegen in die Gruppe einbringt, spre­chen wir darüber. Ein weiterer wich­tiger Aspekt der Spiri­tua­lität Charles de Foucaulds ist die eucha­ris­ti­sche Anbe­tung, so wie sie Maria Theresia eben­falls gepflegt hat. Und noch etwas muss man von Charles de Foucauld wissen: Charles de Foucauld hat in den letzten Jahren seines Lebens in Alge­rien gelebt, in einer Einsie­delei, in der Erwar­tung, dass Menschen sich zum christ­li­chen Glauben bekehren, was diese aber nicht taten. Er hatte einen sehr guten Kontakt zu den dort lebenden Toua­regs gepflegt, die ja nun alle nichts mit dem christ­li­chen Glauben zu tun haben. Er hat die Touareg-Sprache erlernt und auch ein Wörter­buch erstellt. Foucaulds besaß die Gabe, allein durch seine Anwe­sen­heit, ohne viel zu reden, ohne große Worte, einfach mitten in der Welt den christ­li­chen Glauben zu prak­ti­zieren und zu bekennen. Deshalb heißt auch die Zeit­schrift der geist­li­chen Familie Charles de Foucaulds, „Mitten in der Welt“. Ich kann gerne mal einen kleinen Vortrag dazu halten.

 

“Da habe ich erst so gedacht: Jetzt wollen sie mich auf die Schippe nehmen.”

 

Unsere letzte Frage: Wenn wir im nächsten Jahr (hoffent­lich) wieder Schüt­zen­fest feiern können, sind sie ja unser „Schüt­zen­vikar“. Wie fühlt sich ein „Atten­dorner“ als „Olper Schützenvikar“?

Mmhh, da werden aber wieder Klischees bedient … . Erstens bin ich es noch nicht. Pfarrer Stei­ling ist es noch. Ich bin aber für das kommende Jahr schon gefragt worden und habe auch mein „ad sum“ gespro­chen. Da meinte der Schüt­zen­major Herr Peter Liese: „Was heißt das, ad sum?“ Ich sagte: „Das ist das, was wir bei der Pries­ter­weihe und der Diako­nen­weihe sagen.“ Zu Deutsch bedeutet das: „Ich bin bereit, den Dienst zu übernehmen.“

Anders­herum, als es im vergan­genen Jahr um die Frage ging, dass ich mich beruf­lich neu orien­tieren wollte und im Austausch mit der Perso­nal­ab­tei­lung in Pader­born stand, kam dann irgend­wann der Gedanke, Olpe wäre doch was für mich. Da habe ich erst so gedacht: „Jetzt wollen sie mich auf die Schippe nehmen. Als Atten­dorner geht man doch nicht nach Olpe. Das ist nah an meiner Heimat.“ Ich hatte zwar gesagt, ich kann mir vorstellen, in der Nähe meiner Heimat zu leben und zu arbeiten. Aber so nah dran? Ich dachte: was ist das denn jetzt? Fand das etwas kurios. Und dann bin ich einmal, als ich in Atten­dorn zu Besuch war, heim­lich mit dem Auto in Olpe herum­ge­fahren. Dann war ich wieder auf dem Rückweg über die Sauer­land­linie Rich­tung Iser­lohn und dachte so: „Ja, verkehrt ist das ja nicht (lacht)…“ Es ist eine wunder­bare Land­schaft hier, die ich als Kind und Jugend­li­cher schon immer genossen habe. Es ist Naherho­lungs­ge­biet für die Menschen, die aus dem Ruhr­ge­biet kommen oder für die vielen Holländer, die jedes Jahr hier sind. Aber auch für jemanden, der vor Ort lebt. Wir haben hier so wunder­schöne Dörfer, so eine wunder­bare Gegend. Also man kann ja wirk­lich viel machen. Und dann habe ich gesagt: „Ja doch, das kann ich mir vorstellen.“ Dass da noch Drol­s­hagen hinzukam, wurde mir erst später mitge­teilt. Da bin ich zunächst etwas fassungslos gewesen und habe gefragt: „Ist das nicht ein biss­chen reich­lich und ein biss­chen viel?“ „Naja“, bekam ich zur Antwort, „wir haben über­legt und wir müssen perspek­ti­visch schauen, wie das alles in Olpe und Drol­s­hagen in Zukunft weitergeht.“

Ja, ich bin ganz schön mutig, als Atten­dorner nach Olpe zu gehen, obwohl ich glaube, das sind diese Gemenge­lagen aus früherer Zeit. Das ist jetzt mehr eine Frot­zelei und eine Mulop­pig­keit, die man so kennt, aber ich kann damit ganz gut leben und umgehen. Ich finde es auch amüsant. Der Menschen­schlag ist nicht anders als in Atten­dorn. Das habe ich gleich vom ersten Tag an gemerkt und gedacht: „Ich bin wieder zu Hause angekommen.“

Ein schönes Schluss­wort, Herr Pfarrer. Vielen Dank für das ausführ­liche und offene Interview!

* Die Fragen zu diesem Inter­view wurden zusam­men­ge­stellt von den Mitglie­dern der Koor­di­na­ti­ons­gruppe der GEDANKEN ZUM TAG, Daniela Burk­hardt, Sr. Katha­rina Hart­leib, Heinz Heider, Dr. Stefan Reißner, Nadja Stahl und Lukas Wrede.

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